Moerderjagd
ein. Als ich wach wurde, fragte ich nach meinem Bruder. Mein Freund saß an meinem Bett, sein Blick war auf den Boden gerichtet. Ich hatte also nicht geträumt. Es stimmte, er war tot.
»Es muss doch einen Grund für sein Handeln gegeben haben!«, schrie ich verzweifelt und stieß die Bettdecke zur Seite. Ich trug immer noch das bunte Leinenkleid. Mir war es egal. Mein Freund reichte mir ein Glas Wasser. Ich stand auf, durchsuchte meine Tasche, war nervös. Irgendwo hatte ich noch ein Päckchen mit Zigaretten, die brauchte ich jetzt.
Fünf Minuten später stand ich im Garten, zog hektisch an einer Zigarette. Mir wurde erneut übel. »Eleonora Lorenz … Eleonora Lorenz … Eleonora Lorenz …«, hämmerte es in meinem Kopf. Dann eilte ich ins Bad. Ich drehte den Wasserhahn im Badezimmer auf, hielt meine Hände darunter, ebenso das Gesicht. Mir war es egal, dass meine Haare nass wurden, strähnig über das Gesicht fielen und die Wimperntusche sich ihren Weg suchte. Es war mir egal!
Mein Bruder war gegangen, ohne sich von mir zu verabschieden. Er soll ein Mörder sein. Warum nur habe ich nichts bemerkt? Eleonora Lorenz … Eleonora Lorenz … der Name sagte mir etwas, da war ich mir ganz sicher. Mein Bruder hatte diesen Namen einmal erwähnt, nur in welchem Zusammenhang?
Ich blickte in mein Spiegelbild. Denk nach, Annemarie, denk schon nach!
Die Kommissarin war inzwischen gegangen, hatte meinen Freund gebeten, sie zu verständigen, wenn es mir besser ginge.
Beide Hände auf das Waschbecken gestützt, fiel es mir schlagartig ein.
Mein Bruder hatte den Namen im Zusammenhang mit einem Treffen mit Paul erwähnt. Aber worum war es bei diesem Treffen gegangen?
Meine Schwägerin wusste mit Sicherheit nichts. Paul konnte ich nicht mehr fragen. Sollte ich Frau Augustin anrufen? Unschlüssig fing ich an, mich zu entkleiden, ließ alles auf den Fußboden fallen. Alles schien ab heute unwichtig zu sein. Mein kleiner Bruder war tot, und ich hatte ihn nicht vor diesem Schritt bewahren können. Er, der Sonnenschein, der Stolz meiner Eltern. Arzt, er hatte etwas Ordentliches gelernt, nicht wie ich, die verrückte Künstlerin, die Träumerin. Wie sehr haben alle gestaunt, als meine Bilder immer gefragter und ich immer vermögender wurde.
Egal, es ist egal, jedenfalls jetzt.
Das kalte Wasser der Dusche tat gut. Wie lange ich unter der Dusche stand, ich kann es nicht mehr sagen, sehr lange, wie ich vermute.
In ein großes Handtuch eingehüllt, betrat ich mein Wohnzimmer. Ich suchte wieder die Zigaretten. Erschrocken stellte ich fest, dass die Kommissarin zurückgekommen war. Bernd war bei ihr.
Er hatte neuerdings einen Schlüssel zu meinem Haus. Jetzt, da Paul tot war, schien es mir der richtige Zeitpunkt zu sein, ihm einen größeren Platz in meinem Leben einzuräumen.
»Eleonora Lorenz«, stammelte ich und blieb vor ihnen stehen. »Irgendwie sagt mir der Name etwas. Ich denke die ganze Zeit darüber nach.«
Deshalb sei sie auch wiedergekommen, erklärte mir Frau Augustin lächelnd. Sie habe am Nachmittag gemerkt, dass ich durch den Namen der Frau ganz durcheinander war.
»Frau Lorenz hatte eine kleine Tochter«, berichtete mir Frau Augustin, während sie mich in die Küche begleitete. Ich kochte Tee für uns. Bernd blieb im Wohnzimmer. Frau Augustin und ich tranken gemeinsam einen Früchtetee. Dann zog ich mich an, während Frau Augustin in den Garten ging und telefonierte.
Vom Schlafzimmerfenster aus sah ich, dass sie unruhig hin und her lief, hektisch den Arm immer wieder hob und fallen ließ.
Ich konnte ihr nicht viel sagen, was mir aufrichtig leid tat. Mein Kopf schmerzte, und ich fragte mich unentwegt nach dem Warum.
Jil Augustin
Mein Weg führte mich nach dem Besuch bei Frau Weinand zurück ins Büro, wo Hansen schon auf mich wartete. Der Kollege Schuster wollte uns gerne sehen, hätte wieder Neuigkeiten für uns, sagte er.
Wir machten uns gemeinsam auf den Weg. In der Höhe von Osterspay hielt Hansen den Wagen an. Ich lachte, denn offenbar hatte Hansen seine Magenprobleme überwunden. Wir stiegen gemeinsam aus und holten uns eine Bratwurst mit Senf. Mein Blick fiel auf die vorbeifahrenden Schiffe auf dem Rhein. Sehnsüchtig blickte ich ihnen nach. Ich war froh, mit Hansen wieder im Reinen zu sein.
»Was macht eigentlich der Bürgermeister von Kamp-Bornhofen?« Hansen steckte ein Stück Bratwurst in seinen Mund.
»Wir haben uns schon einige Tage nicht mehr gesehen.«
»Der Toni Karbach ist doch ein
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