Moerderjagd
der hätte zu meiner Stimmung gepasst.
»Also Selbstmord?«, wollte ich wissen. Die Kommissarin nickte bejahend mit ihrem Kopf. Ihre Locken wippten dabei hin und her. Ich dachte an das Gemälde, an dem ich gerade arbeitete.
»Er hat zugegeben, Ihren Mann und auch Arno Taun ermordet zu haben. Auf Ihren Mann war er sauer wegen der finanziellen Probleme. Außerdem hat ihr Bruder in dem Schreiben erwähnt, dass ihr Mann ihm verweigert habe, sich an dem geplanten Windpark zu beteiligen. Er wollte Gelder geliehen haben für diese Investition, die mit Sicherheit genügend Geld wieder eingebracht hätte, und …«
»Das ist doch alles Quatsch!«, fiel ich der Kommissarin ins Wort. »Mein Bruder hätte von mir Geld bekommen. Darüber hatten wir auch gesprochen. Nein, es muss einen anderen Grund geben.«
»Der erste Auslöser war das Finanzielle.«
Ich stand auf, lief umher.
»Geld! Das ist mir zu wenig. Was war der wahre Grund?« Meine Stimme hallte durch den Raum.
»Arno Taun ließ ihn auch auflaufen. Es gab ein Treffen zwischen den beiden. Erneut hatte ihr Bruder versucht, sich finanziell an der Windkraftanlage zu beteiligen. Jedoch, da gebe ich Ihnen recht, die Absage von Arno Taun war nicht der Grund, ihn zu töten. Ihr Bruder schien in seinen Augen alles, was ihm wertvoll war, zu verlieren. Sein Leben, seine Frau und die Kinder. Arno Taun schwärmte von ihrer Schwägerin, und es gab auch schon ein Treffen der beiden. Was aber nichts an der Tatsache ändert, dass die Schuld bei Ihrem Bruder lag. Wussten Sie, wie krank er war? Hatte er seinen Selbstmord angekündigt?«
Ich stand wie angewurzelt da, blickte die Kommissarin an. Für sie war ich eine von vielen, ein Fall, der irgendwann in einer Akte abgeschlossen sein und in einem Regal liegen würde. Bis der Staub darauf liegt und sich keiner mehr erinnern wird, außer … außer mir!
»Nein, er hatte niemals zuvor von Selbstmord gesprochen, warum auch? Er soll krank gewesen sein? Warum wusste ich das nicht? Er hatte Husten, eine Erkältung, das war mir aufgefallen. Da sieht man etwas blasser und mitgenommen aus. Erst letzte Woche habe ich ihm geraten, mal weniger zu arbeiten und sich etwas auszuruhen. Ganz blass hat er ausgesehen, die dunklen Ringe unter seinen Augen sind mir noch gegenwärtig.«
Ich lief im Wohnzimmer auf und ab. Ich hatte keine Ruhe, um sitzen zu bleiben. Mein weites Leinenkleid flatterte bei jeder meiner Bewegungen hin und her. »Ich werde mich gleich umziehen«, überlegte ich, und blickte auf meine Armbanduhr. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein. Es waren gerade mal fünfzehn Minuten vergangen seit der Nachricht vom Tod meines Bruders. Mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Dann streifte mein Blick das großflächige Gemälde an der Wand. Die Blautöne hatte mein Bruder sich ausgesucht. Das Bild wollte er für sein Arbeitszimmer haben. Wie lange hatte ich daran gearbeitet? Vier, fünf Wochen? Seine Krankheit. Er hatte mal erwähnt, gesundheitliche Probleme zu haben, jedoch habe ich nie mit etwas so Tragischem gerechnet, leider. Alles Traurige hasste ich, verdrängte es aus meinem bunten, farbenfrohen Leben … Es gab dort keinen Platz für negative Einflüsse … Meine Bilder … in meiner eigenen Welt war ich in den letzten Wochen zu sehr gefangen. Mit Krankheiten wollte ich mich auch nie beschäftigen. Das wusste mein Bruder. Früher liebte mein Bruder auch die Farben, vor allem die Blumen im Garten unserer Oma.
Frau Augustin riss mich aus meinen Gedanken, stand plötzlich neben mir und legte ihren Arm auf meine Schulter. Ich weinte.
Ich blickte aus dem Fenster auf unseren Teich. Alles wirkte so friedlich, wie immer.
Erst als der Name von Eleonora Lorenz fiel, horchte ich auf. Sie war also die Ermordete am Friedhof. Mein Freund hatte sich den Namen nicht merken können, sodass ich bisher noch nicht gewusst hatte, wer die Frau war.
»Eleonora Lorenz«, pochte es in meinem Kopf. Beide Hände hielt ich mir vor die Augen. Das alles war zu viel für mich. Mich überkam das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Ich riss das große Fenster zum Garten auf, atmete heftig ein und aus.
Frau Augustin wollte einen Arzt rufen, doch ich wehrte mich dagegen, ging in die Küche und nahm eine Kopfschmerztablette.
Mein Bruder war tot … tot … freiwillig … tot … Mein Kopf hämmerte, mir wurde schlecht.
Frau Augustin lief mir bis ins Bad nach. Mir war es in dem Moment egal.
Sie hatte dann doch noch einen Arzt gerufen, irgendwann schlief ich
Weitere Kostenlose Bücher