Mörderspiel
Lebzeiten nicht allzu viel von ihr gehalten hatte.
Zugegeben, sie hatte sie aus Eifersucht verabscheut. Das einzige Mal, da sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden hatten, war der schiere Horror für sie gewesen. Unerträglicher als alle Szenen dieser Ausstellung.
Somit war es nur natürlich, dass sie für Cassandra Stuart keinerlei Sympathien aufgebracht hatte.
Sie empfand eine leichte Beklommenheit, was nichts mit den unheimlichen Szenen hier im Kellergewölbe zu tun hatte. Wie Jon Stuart sie betrachtete, ging ihr unter die Haut. Obwohl Brett auf geradezu lächerliche Weise durch Worte und Gesten seine Besitzansprüche geltend machte, war sie plötzlich froh über seine Gegenwart.
Jon Stuart war beeindruckend, vielleicht sogar einschüchternd. Möglicherweise lag das allein an seiner Größe und seiner athletischen Erscheinung. Er war über einsneunzig und auf eine markante Art gut aussehend. Sein Haar war nicht bloß dunkel, sondern schwarz und dicht. Es reichte ihm im Nacken bis über den Hemdkragen, war jedoch ordentlich zurückgekämmt. Seine Augen waren von einem marmorierten Braun mit blauen und grünen Einschlüssen, was sie manchmal golden und dann wieder sehr dunkel wirken ließ. Seine Gesichtszüge verrieten Ruhe und Kraft: ein festes, eckiges Kinn, breite Wangenknochen, ein großzügiger, sinnlicher Mund und eine hohe Stirn.
Mit siebenunddreißig war er einer der bekanntesten Autoren von Abenteuer- und Spannungsromanen. Ein international renommiertes Magazin zählte ihn zu den zehn interessantesten Männern der Welt.
Obwohl es in den letzten Jahren stiller um Jon Stuart geworden war und er die meiste Zeit in Schottland verbrachte, berichteten die Zeitungen immer mal wieder über ihn, meistens wenn einmal pro Jahr sein neues Buch herauskam oder die Taschenbuchausgabe eines seiner Romane auf dem Markt erschien. Es schadete ihm nicht, dass er in den letzten Jahren eher wie ein Einsiedler gelebt hatte. Vielmehr förderte es sogar seinen Ruf des Geheimnisumwitterten.
Das Rätsel um den Tod seiner Frau machte ihn faszinierend gefährlich und auf unheimliche Art sympathisch. Einige Journalisten behaupteten, er sei nach Cassandras Tod in tiefe Trauer versunken, andere deuteten an, er habe sich aus Schuldbewusstsein zurückgezogen, weil er sich für ihren Tod verantwortlich fühlte – wenn er auch ein ganzes Stück entfernt war, als sie vom Balkon fiel. Es wurde vermutet, sie habe vielleicht Selbstmord begangen, weil ihre Ehe zu scheitern drohte. In einem Anfall übersteigerten Selbstmitleids habe sie sich vom Balkon gestürzt, um ihrem berühmten Ehemann die Schuld zuzuweisen, was ihn bis ans Ende seiner Tage belasten würde.
Wieder andere glaubten, dass der Krebs, der ihre schönen Brüste zu zerstören drohte, sie in die Verzweiflung getrieben habe. Was immer auch geschehen war, es hatte endlose Spekulationen ausgelöst. Jon Stuart hatte Verhöre vor Gericht erduldet und sich von Presse, Freunden und Fans anklagen lassen. Seine jährliche Krimi-Woche, eine Zusammenkunft berühmter Autoren auf seinem abgelegenen Schloss in Schottland, die der Publicity diente und dem Sammeln von Geld für Wohltätigkeitseinrichtungen, die sich um Kinder kümmerten, fand nicht mehr statt.
Bis jetzt.
Drei Jahre nach dem Tod seiner Frau hatte er die Tore von Lochlyre Castle wieder der Außenwelt geöffnet.
„Wenn ich so darüber nachdenke, war Cassies Lob für Sabrinas Arbeit bemerkenswert“, überlegte Brett plötzlich laut. „Sie war nicht besonders großzügig in Puncto Lob. Angeblich mochte sie meine Arbeit, doch
Skalpell
hat sie in der Luft zerrissen. Erinnerst du dich, Jon? Sie hat sogar deine Arbeit manchmal niedergemacht, und, so ungern ich das zugebe, das ist nun wirklich schwer.“
„Danke. Das ist ein echtes Kompliment“, erwiderte Jon trocken.
Brett grinste. „Ich bin in Geberlaune. Ich habe gerade erfahren, dass
Operation
die Nummer zwei auf der Bestsellerliste der
New York Times
von nächster Woche ist.“
„Glückwunsch“, sagte Sabrina aus vollem Herzen. In die Bestsellerlisten zu gelangen, schaffte er immer. Doch erreichten seine Bücher, sehr zu seiner Freude, dabei immer höhere Platzierungen.
„Großartig“, lobte Jon. „Du kannst uns alle während der Woche bei Laune halten, indem du uns erinnerst, dass Bücher, entgegen anders lautenden Gerüchten, noch gekauft und gelesen werden. Also… was haltet ihr zwei vom diesjährigen Gruselkabinett?“
„Makaber
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