Mörderspiel
Abgabetermin.“ Das war natürlich gelogen. Es war die Standardausrede von Autoren, wenn sie sich vor etwas drücken wollten.
„Ihre Absage hat sich immerhin gelohnt. Ihr letztes Buch war sehr gut.“
„Sie haben es gelesen?“ fragte sie – viel zu eifrig, wie sie selbst fand. Am liebsten hätte sie sich dafür geohrfeigt. Sie errötete leicht vor Freude, dass er genügend an ihrer Arbeit interessiert war, um ihre Bücher zu lesen. Richtig heiß wurde ihr jedoch bei den Gedanken, was er wohl von den ausgeprägten Liebesszenen gehalten hatte und darüber, wie sehr ihr Erröten sie verriet.
„Mir haben Ihre letzten Arbeiten auch alle gefallen“, erklärte sie rasch, um von sich abzulenken.
Jon lächelte ein wenig skeptisch, als habe er solches Lob schon oft gehört und bezweifle den Wahrheitsgehalt.
„Wirklich“, beteuerte sie leise und wünschte, diesen plumpen Monolog mit Anstand beenden zu können. Brett beobachtete sie interessiert. Offenbar war ihm eine gewisse Spannung zwischen ihr und Jon Stuart nicht entgangen.
„Tatsächlich?“ fragte Jon zurück. Entweder bemerkte er ihr Unbehagen nicht, oder es amüsierte ihn. Beunruhigt stellte sie fest, dass er ihr an Reife wie an Selbstvertrauen immer noch haushoch überlegen war. Er war ein Erfolgsautor, seit er gleich nach dem Collegeabschluss seinen ersten Roman, einen Thriller, der im Nachkriegsitalien spielte, veröffentlicht hatte.
Sie zwang sich zu einem etwas kühlen Lächeln. Einschüchtern lassen wollte sie sich keinesfalls von ihm. „Okay, also es hat mir nicht gefallen, dass Sie den Priester im letzten Buch umbringen ließen. Das hatte er nicht verdient.“
Das kränkte ihn keineswegs. Er lachte, sichtlich erfreut über ihre Offenheit. „Gut, dass Sie mit Ihrer Kritik nicht hinter dem Berge halten und die Wahrheit sagen.“
„Die Wahrheit sieht, je nach Blickwinkel, immer anders aus“, wandte Brett leicht gereizt ein.
„Nein, es gibt nur eine Wahrheit, vielleicht nur etwas anders beleuchtet“, hielt Jon ihm mit einem Seitenblick auf Sabrina entgegen. Dann schien er sich einen Ruck zu geben und fügte munter hinzu: „Und die Wahrheit ist natürlich, dass ich mich sehr freue, dass Sie sich von Ihren vielen Terminen freimachen konnten, um herzukommen, Miss Holloway.“
„Sie wußte, dass ich hier sein und sie sich schon allein deshalb wohl fühlen würde“, erklärte Brett voller Besitzerstolz.
„Na wunderbar“, erwiderte Jon.
„Ich habe Freunde hier“, versuchte sie den Eindruck zu korrigieren, der durch Bretts Antwort entstanden war. Zugleich fragte sie sich, warum es ihr etwas ausmachte, ob Jon Stuart glaubte, dass sie immer noch mit ihrem Exmann schlief. „Sie wissen, wie das ist, Jon. Wir Autoren neigen dazu, uns zusammenzurotten. Sie haben eine beeindruckende Gästeliste. Ich fühle mich geschmeichelt, dass ich eingeladen wurde.“
„Ich habe mir sehr gewünscht, dass Sie kommen“, erwiderte er höflich. „Wie Sie sich erinnern, wünschte ich mir das beim letzten Mal auch schon.“
Das stimmte. Er hatte sie auch damals dabei haben wollen. Sie hatten sich einige Monate vor seiner ersten Krimi-Woche kennen gelernt. Danach war sie Brett begegnet, hatte ihn geheiratet – und sich schnell wieder scheiden lassen.
Und Jon hatte Cassandra Kelly geheiratet.
„Seinerzeit hatte ich gerade erst ein Buch herausgebracht. Da durfte ich mich kaum zu den Profischreibern zählen, die Sie zu Ihrer Veranstaltung versammelt hatten.“
Er neigte stirnrunzelnd den Kopf leicht zur Seite. „Dianne Dorsey war damals ein noch größerer Neuling, trotzdem war sie dabei.“
„Leider entwickelte sich die Veranstaltung zu einer großen Tragödie. Deshalb war es gut, dass Sabrina nicht hier war“, kommentierte Brett. „Es freut mich aber zu sehen, dass du dich erholt hast, alter Knabe“, fügte er hinzu und stieß ihm mit der Faust freundschaftlich gegen die Schulter. „Wir haben in letzter Zeit alle nicht viel von dir gesehen. Übrigens, war es nicht Cassie, die uns erzählt hat, was für ein großartiges Buch Sabrina geschrieben hat?“
„Ja“, bestätigte Jon, und sein Blick ruhte auf Sabrina. „Cassandra fand, Sie hätten hervorragende Charaktere in einem bezwingenden Ambiente und dazu den perfekten Mord entwickelt, um der Geschichte den richtigen dramatischen Kick zu geben.“
„Das war sehr nett von ihr“, erwiderte Sabrina, leicht befangen. Cassandra war tot, und sie fühlte sich irgendwie schuldig, weil sie zu deren
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