Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
dieser ganzen Geschichte gebildet.
Die Bruchbude ist völlig unbewohnt , das war seine feste Überzeugung. Wieso soll es auch anders sein? Wer versteckt sich schon in einem Gebäude, das über Jahre meterhoch mit Vogelscheiße eingekleistert worden ist? An Sklaatens Stelle hätte ich auch das Weite gesucht und wäre ganz sicher nicht hierher zurückgekommen.
Harry schüttelte den Kopf über so viel Stumpfsinn.
„Die sind völlig verrückt. Wenn Sklaaten wirklich noch dort ist, fress‘ ich ‘nen Besen. Und dann schicken die auch noch so einen Grünschnabel! Grot bek, klein hartje! Große Klappe, nichts dahinter! Der hat vermutlich nicht mal den Hauch einer Ahnung, worauf er sich hier einlässt“, fluchte er und lief hinüber zu seinem Strandhäuschen.
Es war ein kleines einstöckiges Gebäude mit Reetdach, das sich an beiden Seiten fast bis zum Boden hinunterzog. Die vordere Außenwand bestand aus dunklen Massivholzbrettern und zwei großen vorhanglosen Fenstern. Über der Tür hing ein großes Holzschild, das im Wind bedenklich wackelte.
Tourist Informatie en Rondleiding
Das Schild würde ihm irgendwann einmal auf den Kopf fallen, wenn er es nicht sehr bald richtig befestigte, aber das würde warten müssen. Es gab dringlichere Dinge, die seine volle Aufmerksamkeit forderten. Er hatte den Einstand bereits versaut, nun sollte wenigstens der Rest zu Petr Stojics Zufriedenheit ablaufen.
Harry schloss die Tür auf und ging hinein. Seine Wanderschuhe trat er in der Eile nicht ab und trug damit den Sand quer durch die Wohnung. Am Tresen vorbei, durch die Küche, eilte er direkt in den kleinen Abstellraum im hinteren Gebäudeteil. Hier lag allerlei Krimskrams. Der Raum war eine Rumpelkammer und seit einer Ewigkeit nicht mehr aufgeräumt worden. Hektisch begann Harry alles beiseite zu werfen.
Er hatte bestimmt schon zehn Minuten damit verbracht, eine bestimmte Stelle frei zu räumen, da hielt er plötzlich inne. Ein seltsamer Gedanke schoss ihm durch den Kopf, der ihm erst jetzt kam, nachdem er die erste Überraschung verdaut hatte. Misstrauen stieg in sein Bewusstsein.
Ob ich in Rotterdam anrufen soll, um zu erfahren, ob dieser Sem tatsächlich von den Stojics geschickt worden ist? grübelte er, aber dann schien ihm diese übertriebene Vorsichtsmaßnahme lächerlich.
„Der Kerl ist sauber“, sagte er zu sich selbst, ging dennoch in die Küche und nahm sein Handy in die Hand.
Kein Wort zu niemandem, waren Sems Worte gewesen.
Seltsam ist das schon.
Das Display zeigte an, dass es bereits halb eins war. Harry schüttelte den Kopf. Um diese Zeit war Petr üblicherweise beim Mittagessen und er hasste es, währenddessen gestört zu werden. Die Zeit lief Harry obendrein davon. Bis um ein Uhr wollte der große Kerl die Sachen haben. Er benötigte bestimmt zehn Minuten zurück zum Strand. Hin- und hergerissen legte er das Mobiltelefon beiseite und stürmte zurück in den kleinen Raum. Er schob einige Pappkartons mit Touristenflyern beiseite und kniete sich auf das Laminat.
In einer versteckten Bodenklappe fand er schließlich die Sachen, die ihm die Familie in den vergangen Jahren zugeschickt oder die er durch Recherche im Fall Sklaaten selbst zusammengetragen hatte. Mit einiger Mühe erreichte er die rostigen Metallgriffe rechts und links und hob die schwere Kiste aus dem Versteck. Er erinnerte sich nicht daran, dass sie so schwer gewesen war, als er sie dort vor einer Dekade installiert hatte. Schnaufend ließ er sie auf den Boden sinken.
Draußen fuhr eine Böe über das Häuschen und rüttelte heftig an dem Schild über der Tür. Es knarrte und ächzte. Harry überhörte die längst bekannten Geräusche der jammernden Holzbohlen. Kurz nachdem er hier eingezogen war, hatten ihn diese Geräusche des Öfteren aus dem Schlaf hochfahren lassen, weil sie sich exakt so anhörten, als stiefelte jemand des Nachts durch das Haus. Mittlerweile waren sie in Harrys Wahrnehmung allerdings nur noch unbedeutende Hintergrundgeräusche ohne besonderes Schreckpotenzial. So widmete Harry seine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Verschlussmechanismus der Kiste und stellte fest, dass mit den Jahren alles etwas eingerostet war.
Er prüfte gerade die Drehscheiben des Zahlenschlosses, als im selben Augenblick hinter ihm ein Knirschen zu hören war. Es klang nach Sandkörnern, die zwischen schwerem Schuhwerk und Laminat zerrieben wurden.
„Sehr gut, Romdahl und jetzt weg von der Kiste. Aufstehen und langsam herumdrehen. Mach keine
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