Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
Dummheiten“, blaffte Sem.
Harry zuckte erschrocken zusammen, verstand die Situation aber nicht richtig. Ungreifbare Gedankenfetzen flogen durch seinen Kopf.
Sem? Rumdrehen? Von der Kiste weg? Wie kommt er überhaupt…? Und wieso steht der Kerl plötzlich in meinem Bungalow? Sind wir nicht erst in einer halben Stunde am Strand verabredet?
„Ich dachte…“
„Schnauze halten und aufstehen!“
Weil er plötzlich ein ganz eigenartig mulmiges Gefühl in der Magengegend verspürte, das ihm sagte, irgendetwas an dieser Situation ist gefährlich, gehorchte er. Mühsam wuchtete er seinen Körper in die Höhe und drehte sich um.
Was zum…?
Für den Bruchteil einer Sekunde sah er den Kolben in Sems Hand auf sich hinabsausen, dann knallte ihm das Teil auf den Kopf. Harry sah tausend Sterne, ehe die Dunkelheit hereinbrach und er unkontrolliert zu Boden fiel.
Irgendwas ist hier oberfaul.
***
Es war stockfinster. Harry ertrank. Eiskaltes Wasser und Dunkelheit umgaben ihn. Er schnappte nach Luft, atmete Wasser, spie es aus, hustete und rang erneut nach Luft. Wasser. Überall Wasser. Keine Luft. Und dazwischen eine Stimme…
Er verstand sie nicht.
Dieser Dreckskerl ertränkt dich , schoss es ihm durch den Kopf. Erneut rang er nach Sauerstoff, sog kalte Flüssigkeit ein, würgte, hustete. Wieder hörte er jemanden sprechen, diesmal deutlicher.
„Wach auf du Penner! Ich hab nicht ewig Zeit.“
Ein Schlag gegen den Brustkorb ließ Harry zusammenzucken und holte ihn gleichzeitig ein Stück zurück in die Realität. Die Ohnmacht ging vorüber.
Harry öffnete langsam die Augen. Ein kalter Wasserstrahl traf ihn mitten im Gesicht. Instinktiv wich sein Kopf dem Wasser aus. Endlich konnte er wieder atmen und sog gierig lauwarme Luft ein.
„Ah, Dornröschen ist aufgewacht“, sagte Sem und klang zufrieden. Sem warf den Gartenschlauch achtlos beiseite. Das Wasser strömte über das Laminat und floss in die Öffnung im Boden.
„Pass auf, Harry“, sagte Sem, „Du wirst das vielleicht nicht verstehen, aber es gibt gute Gründe hierfür.“
Harry blinzelte, sein Schädel dröhnte und ein heißes Pochen über seinem linken Auge verriet ihm, wo genau er getroffen worden war.
Gründe wofür? Verdammt, du hast mich niedergeschlagen, du mieser Hund , dachte Harry und fühlte sich noch immer benommen.
Sem stand vor ihm. Er war keine zwei Meter von Harry entfernt, verschränkte die Arme vor der Brust und setzte einen abschätzigen Blick auf. Er wirkte irgendwie sehr zufrieden mit der Situation, machte unbedacht noch einen Schritt auf Harry zu und sagte: „Siehst du, Harry, die Sache ist die: Ich muss einige Vorsichtsmaßnahmen ergreifen und ein bisschen improvisieren, weil…“
Harry hörte nicht weiter zu. Der Gedanke, der ihm plötzlich in den Sinn kam, verdrängte alles andere.
Das ist nah genug, um sich mit einem Satz auf ihn zu stürzen. Na warte, Bürschchen. Keiner verarscht Harry Romdahl .
Harry unterdrückte den Schmerz an der Stirn, stattdessen versuchte er, sich zu konzentrieren und seinen verschwommenen Blick zu schärfen. Es funktionierte. Von der Umklammerung der Ohnmacht unvermittelt völlig gelöst und mit einer aufkochenden Wut im Bauch stürzte Harry nach vorn; sein Ziel fest im Blick...
Die Fesseln, die Hände und Füße an der Stuhllehne und den Stuhlbeinen fixierten, schnitten schmerzhaft in die Gelenke und rissen ihn zurück. Der Stuhl, auf dem er saß, wankte bedenklich und kippte beinahe nach vorne um. Sem grinste wissend.
„Was soll das?“, zischte Harry hitzig und versuchte erfolglos, sich zu befreien. „Wenn Stojic das mitbekommt dann…“
„Sei still“, fuhr Sem ihm ins Wort. „Stojic wird hiervon ganz sicher nichts mitbekommen. Er weiß nicht einmal, dass ich hier bin.“
Romdahl hielt in seinem Befreiungsversuch inne und sah den Mann verblüfft an. Ein neues, ungutes Gefühl überkam ihn.
Was hat das wieder zu bedeuten?
Sem schien die Frage erraten zu haben. Ein kaltes Lächeln blitzte über sein Gesicht.
„Stojic hat keine Ahnung. Ich glaube, er hat die Sklaaten-Geschichte insgeheim längst abgehakt. Vor fünf Jahren hat er es aufgegeben, nach Ari zu suchen. Der Einzige, der deswegen noch aktiv ist, bist du, Harry Romdahl. In Rotterdam machen sie sich über dich lustig, wusstest du das?“
Verwirrt schüttelte Harry den Kopf. Er wusste, dass Stojic derzeit einige andere Probleme hatte, aber erst bei ihrem letzten Telefonat hatte Petr ihm noch einmal deutlich
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