Mogelpackung: Roman
habe es erst nach zwei Tagen gemerkt.«
»Autsch.«
Markus nickte. »Sie schrieb mir nur eine SMS, sie sei mit einem netten Engländer zusammen auf Tour durch die Provinzen.«
»Engländer werden überschätzt«, versuchte Fredo zu trösten.
»Dann kam Nicole zurück. Gerade gestern, als du wegen Tim angerufen hast. Wäre dieser Anruf nicht gewesen, hätte sie mich wohl verlassen. So waren wir uns einig, sofort zurückzufliegen. Unterwegs gab es eine Menge Zeit zum Nachdenken. Ich fliege nicht wieder nach China, Fredo. Nicht wieder zurück in die Tretmühle.«
»Dein Arbeitgeber wird nicht begeistert sein.«
»Das sagst ausgerechnet du? Du hast doch immer dein Ding durchgezogen!«
»Und nun sieh mal, was dabei herausgekommen ist«, verhöhnte sich Fredo selbst.
Markus sah ihm offen in die Augen. »Ich sehe, dass sich Gesche wohlfühlt. Dass mein Sohn um sein Leben kämpft, wenn’s darauf ankommt. Dass sich meine Tochter bei meinem Anblick ehrlich zu freuen scheint, habe ich ewig nicht erlebt. Ich schätze, das ist ein paar kaputte Dachziegel wert. Prost, Fredo. Und danke für alles.«
Sie vertilgten den letzten Schluck aus ihren Schwenkern.
»Schade, dass der Stoff alle ist«, meinte Fredo mit einem bedauernden Blick aufs leere Glas.
»Ich hab noch eine Flasche vor dir versteckt«, grinste Markus.
Fredo grinste zurück. »Wusste ich’s doch.«
Markus stand auf, ging zu einem antiken Schrankmöbel und zog die Flasche zielsicher aus einer der vielen Schubladen.
Gesche hörte einen Flaschenverschluss ploppen und Glas an Glas klirren. Sie fühlte sich wohl. Die Stimmen um sie herum klangen vertraut. Gefeiert hatte sie immer gerne, trotz der vielen Pflichten. Sie blinzelte. Das hier war nicht das Wohnzimmer von früher. Das alte Haus gibt es nicht mehr, wusste Gesche plötzlich wieder, es ist die Villa von Markus. Da sitzt er ja, mein Markus. Und Fredo ist auch da. Das sind richtige Männer geworden. Keine kleinen Jungs mehr. Erstaunlich. Und wunderschön. Wie sicher sie wirkten, und wie stark.
Fredo sah plötzlich, wie Gesche sich auf dem Sofa aufrichtete. Sich an die Brust griff und schmerzvoll zusammenkrampfte. Er ließ das Glas fallen, sprang vom Sessel und fing Gesche ab, bevor sie vom Sofa gleiten konnte. Auch Markus packte mit an. Gesches Augen waren weit aufgerissen, ihre Lippen bewegten sich. Fredo hörte sie keuchen: »Immer, wenn man gerade gar keine Lust hat …« Plötzlich erschlaffte sie, ihre Miene entspannte sich zu einem seligen Lächeln.
Und dann starb Gesche.
24.
A m Tag nach der Beerdigung rief Bert Schmidtbauer an. Die Quote der Telenovela hatte so dramatisch gelitten, dass in der Produktion wieder mal eine Revolution fällig gewesen war. Und diesmal hatte es Plöger getroffen. »Ich bin auf seinen Posten gerückt«, verkündete Schmidtbauer nicht ohne Genugtuung. »Jetzt baue ich die neue Mannschaft zusammen. Komm zurück, Fredo, ich will dich dabeihaben. Du verdienst mehr als vorher, versprochen.«
»Und was ist mit Sandra?«
»Gefeuert. Am selben Tag wie Plöger.«
»Ich überleg’s mir, Bert.«
Was hätte Gesche in so einem Fall getan', fragte sich Fredo und wusste bereits die Antwort: dorthin gehen, wo man gebraucht wird. Die Produktion einer Telenovela hätte allerdings auf einer Gesche-Liste der sinnvollen Beschäftigungen nicht sehr weit oben gestanden. Andererseits war seine Aufgabe hier in Bornstedt erledigt. Markus hatte Urlaub genommen und kümmerte sich zusammen mit Nicole um die Kinder. Tim war aus dem Krankenhaus entlassen worden, humpelte aber noch mit einer Beinschiene durchs Haus, während Karla schon wieder die Schule besuchte. Noch während Fredo nachdenklich die Treppe zu Tims Zimmer hinaufstieg, wusste er, wie seine Entscheidung ausfallen würde.
Tim lag auf seinem Bett und las in einem Buch. Fredo trat ein und sah sich bewundernd im Zimmer um.
»Astrein aufgeräumt. Respekt.«
»Karla hat mir geholfen«, strahlte Tim.
»Dann kannst du hier ja sogar deine Freundin empfangen«, sagte Fredo mit einem Wink auf das Porträtfoto eines jungen Mädchens, das Tim neuerdings neben sich auf dem Nachttisch aufgestellt hatte. »Habt ihr euch im Krankenhaus kennengelernt?«
»Vivienne geht in Patriks Klasse. Sie hat mich im Wald gefunden!«
»Ist ja fast so ein starker Anfang wie im Park geschossen.«
Sie grinsten sich verständnisinnig an. Dann fragte Fredo: »Was ich noch mal wissen wollte, Tim – was für ein Geheimnis hattest du eigentlich mit Patrik?
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