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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Downtown fand.
    Die Erinnerung an die bunt gefärbte Schwellung rund um Yales Auge, als sie alle zusammen mit der U-Bahn nach Hause fuhren, heiterte Diego ein wenig auf, und er schob einige Zehen versuchsweise unter der Bettdecke hervor, um die Temperatur festzustellen. Viel zu kalt! Vielleicht gab es doch einen Grund für die Ansicht, dass die Flusswärts-Gebäude den Wirkungen des Fernen Ufers stärker ausgesetzt waren…
    Musik könnte vielleicht hilfreich sein. Diego ließ seinen mageren nackten Arm unter der Decke hervorschießen, um rasch das Radio auf seinem Nachttisch einzuschalten. Nachdem sich die Röhren ausreichend erwärmt hatten, erklangen glasklare, unverwechselbar phrasierte Trompetentöne und schwollen an wie ein Chor Fischerinnen. Sofort besserte sich Diegos Laune.
    Rumbold Prague war ein Genie, vielleicht sogar das einzige Genie, das Diego persönlich kannte. Der schwarze Musiker, dessen schwindsüchtiges Gesicht hinter der Sonnenbrille einen ewig coolen Ausdruck aufwies und der in seiner typischen Gabardinehose und den weiten Seidenhemden adrett gekleidet war, verkörperte für Diego das Höchstmaß dessen, was diese Kunst erreichen konnte. Seine eigene Prosa, das wusste Diego, war immer dann am vollendetsten, wenn er sich von Pragues lyrischen Kompositionen inspirieren ließ und deren unvorhersehbarem Dahinfließen nacheiferte.
    Das Stück endete, und der Sprecher meldete sich zu Wort: »Das war ›The Road Goes Ever On‹. Rumbold Prague an der Trompete, Lydia Kinch am Saxophon, und am Piano saß Scripps Skagway. Den Bass bediente Lucerne Canebrake, am Schlagzeug Reddy Diggins. Ein Stück von der Roughwood-Schellackscheibe Burning Fountains, Bestellnummer RLP4039. Als Nächstes Percival Raglands ›Aeota‹. Aber erst einmal die 10-Uhr-Nachrichten.«
    Diego stöhnte leise. Zehn Uhr! Wenn er bis zu seiner Verabredung mit Volusia Bittern zum Abendessen seinen Vater besuchen und auch noch ein wenig schreiben wollte, dann hatte er keine Sekunde zu verlieren. Doch er stand vor einem Dilemma: In welcher Reihenfolge sollte er vorgehen? Wenn er sich sofort hinsetzte und schrieb, dann konnte es passieren, dass er sich in eine kreative Trance hineinsteigerte, jegliches Zeitgefühl verlor und damit die Gelegenheit versäumte, Gaddis Patchen zu besuchen. Begab er sich dagegen zuerst zu seinem Vater, dann konnte er fast mit Sicherheit davon ausgehen, dass er in seinem Schreiben abträglich beeinflusst wurde von all den Emotionen, die der Aufenthalt in seinem Zuhause aus Kindheitstagen stets hervorbrachte.
    Nach kurzem Zögern siegten die Blutsbande. Diego war ein Profi, der ganz bestimmt jede Art von Ablenkung ausblenden konnte, die sein Handwerk beeinflussen könnte. Würde etwa Rumbold Prague zulassen, dass eine mögliche üble Laune seines eigenen Vaters dem Mundstück seines Instruments einen ähnlich üblen Geschmack verlieh? Wohl kaum!
    Diego sprang aus dem Bett und lief nur mit seiner Unterhose bekleidet ins Bad. Nach einer heißen Dusche (wenigstens diese Einrichtung war noch nicht der Unfähigkeit Rexall Glyptis’ zum Opfer gefallen) und dem Auftragen seines bevorzugten Rasierwassers, Meyerbeer’s No. 7, auf sein fast bartloses Gesicht (zum Teufel mit diesem jungenhaften Aussehen!, dachte Diego zum x-ten Mal in seinem Leben) fühlte er sich wieder halbwegs menschlich. Nachdem er die Winterkleidung ausgewählt hatte, die er am liebsten trug – Tweedhose, Baumwollhemd, Wollweste und eine weite schwarze Jacke –, kam er zu dem Schluss, dass sein Magen ihm die Exzesse der vergangenen Nacht vergeben hatte und bereit war, wieder Nahrung aufzunehmen. Ein kurzer Blick in den Kühlschrank ergab aber, dass sich dort nichts befand, was für den menschlichen Verzehr geeignet war. Also würde er sich auf dem Weg zu seinem Vater irgendwo etwas zu essen mitnehmen müssen. Er schlüpfte in seine ramponierten, aber robusten Schuhe und verließ die Wohnung, nachdem er einen letzten sehnsüchtigen Blick auf seinen unordentlichen Schreibtisch geworfen hatte.
    Leichtfüßig lief er die Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Das Geländer fühlte sich vertraut glatt an, metallene Einsätze an den Kanten der Holzstufen sorgten für sicheren Halt, alte Küchengerüche zeugten von den Essgewohnheiten der Nachbarn. Diego stellte fest, dass er abwechselnd den nächsten Teil seiner in Arbeit befindlichen Geschichte durchging und versuchte, sich eine Gesprächstaktik zurechtzulegen, mit der er seinen Vater von dessen gewohnten

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