Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
Vom Netzwerk:
Jobo Copperknob. Umgebung: trotz des düster klingenden Namens der Gemeinde recht kultiviert und angenehm. Diegos Unterkunft: ein Apartment mit Straßenblick im 10394850. Block am Broadway, direkt über Gimletts Obst- und Gemüsehandlung. (Sein Vater lebte nur ein paar Blocks weiter in Richtung Downtown.) Das Haus aus blauem Tonsandstein, in dem Diego und seine unmittelbaren Nachbarn wohnten, lag Flusswärts am Broadway – Straßenwärts und Flusswärts –, und es war angenehm. (Doch das war nicht immer so gewesen. Diego erinnerte sich mit Schrecken häufig an eine Kindheit voller unerfreulicher Tage und unheimlicher Nächte, die er in eben jener Wohnung verbrachte, in der nun der sterbende Gaddis Patchen lebte. Die unterschwellig flüsternden fernen Flammen von Jenseits der Gleise warfen tanzende Schatten an die Wände von Diegos Kinderzimmer, ganz gleich, wie sehr er als Kind auch versucht hatte, vor dem Schlafengehen die nach unten gezogenen grünen Wachstuchrollos gegen die Fensterscheiben zu kleben. Das regelmäßig wiederkehrende Donnern der nach Uptown fahrenden Züge ließ diese Scheiben erzittern. Was Diego heute sein Eigen nannte, war ihm nicht durch eine Erbschaft in den Schoß gefallen, sondern er hatte es sich durch seine höchstpersönlichen Anstrengungen verdient.)
    An diesem trüben Wintermorgen empfand der faul im Bett liegende Diego es als mühselig, richtig munter zu werden. Dass er bis spät in die Nacht mit Freunden unterwegs gewesen war – eine Nacht mit zu vielen Zigaretten, einem Übermaß an hochtrabendem Schwadronieren und einem ständigen Fluss des hopfenreichen Rude-Bravo-Bieres aus der benachbarten Gemeinde Shankbush –, rächte sich nun, auch wenn es nicht anders zu erwarten gewesen war. Diegos schlechte Laune veranlasste ihn dazu, in die klamme Bettdecke gewickelt, über die vielen ihm widerfahrenen Ungerechtigkeiten nachzudenken, nicht aber über Höhen, die das alles wieder wettmachten. Die Parade seiner Gedanken präsentierte unter anderem diese Mitwirkenden:
    Sein schäbiger und störrischer Vermieter Rexall Glyptis, der es nunmehr bereits seit Monaten versäumte, wenigstens einen Ingeniator-Lehrling zu bestellen, damit der die Heizkörper in Diegos Apartment reparierte. Das Ganze war zudem ein noch größeres Ärgernis, weil der wärmende Dampf kostenlos durch die Rohrleitungen strömte, die unter jedem Block verliefen und Teil der Infrastruktur der Linearen Stadt waren.
    Der nächste auf der Liste war sein bester Freund, der impulsive und listige Zohar Kush, der im 10395001. Block am Broadway auf die Kneipe namens The Lookalike Boys gestoßen war, in der Rude Bravo wie flüssiger Selbstmord strömte. Er hatte darauf bestanden, mit einigen der Einwohner von Shankbush ein Wetttrinken zu veranstalten.
    Kushs neueste Geliebte, die launenhafte Milagra Eventyr, hatte einen Streit mit Diegos Geliebter, der gewaltigen Volusia Bittern, vom Zaun gebrochen, indem sie sich an diesem benebelten Abend irgendwann wollüstig Diegos Schoß als Sitzplatz ausgesucht hatte.
    Doch auch Volusia musste es sich gefallen lassen, dass Diego ihr in Gedanken Vorwürfe machte. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie bemüht gewesen war, ihren von Eifersucht geprägten Vorhaltungen mit einem wilden Schwinger nach Milagra Nachdruck zu verleihen. Der Schwinger war trotz Volusias körperlicher Proportionen – vor allem im direkten Vergleich mit Milagra – am Ziel vorbeigegangen, was einer gewissen benebelten Wahrnehmung zu verdanken war. Wie heißblütig doch teuflisch attraktive Frauen manchmal sein konnten!
    Wer natürlich in dieser Parade der Niederträchtigkeit nicht fehlen durfte, war Yale Drumgoole, Diegos Kollege von der schreibenden Zunft. Obwohl er weder ein Verfechter noch ein Autor von KF war und damit folgerichtig Vertreter eines rivalisierenden literarischen Lagers, hatte man Yale für den nächtlichen Ausflug eingeladen. Drumgooles einzige Leistung an jenem Abend hatte lediglich darin bestanden, den Beweis zu erbringen, dass er nicht fähig war, mehr als fünf Pints Rude Bravo zu trinken, ohne gleich der Ehefrau des brutalen Türstehers im Lookalike Boys vergnügt und taktlos zugleich den Hof zu machen. Das wiederum hatte zur Folge gehabt, dass die gesamte Patchen-Gruppe rausgeworfen wurde und im Schneematsch von Shankbush landete, der sich in seinen Eigenschaften hinsichtlich Kälte und Nässe keinen Deut von dem Matsch unterschied, den man hundertfünfzig Blocks weiter Richtung

Weitere Kostenlose Bücher