Mømø im Legøland
barfüßig, schleppt die Spitzhacke an. »Unseren Schlagbohrer kannst du gleich dazutun«, sagt Gabi. Sie führt die Checkliste. Manni kommt in die
Küche mit einem Molotow-Cocktail in der Hand: »Kannst du sowas auch gebrauchen?«
Gabi scheucht ihn in den Keller zurück, das ist nämlich ihr letzter Molly, und sie brauchen ihn für den Ernstfall.
Werni ist unterwegs zu meiner Wohnung und holt den Stadtplan. Gerti bringt drei Liter Vorzugsmilch an und eine Säge, falls mir ein Baum im Weg stehen sollte.
Berni packt einen Pappkarton auf den Tisch:
»Die Frau, die mich neulich aus Berlin besucht hat, die hat unter meinem Bett was deponiert. Das ist meines Erachtens vom Allerfeinsten!« Ist ja prächtig — gut und gern 30 Stangen Dynamit aus Troisdorf. Damit kann man bestimmt was anfangen. »Bring’s zum Wagen«, sagt Gabi.
Michi bietet mir seine total gut eingelaufenen Turnschuhe an. Das werte ich als Beginn einer wundervollen Freundschaft.
Dann gibt es irgendwo im Haus eine Explosion. Trotzki kriecht jaulend unter den Küchentisch, Gläser klirren, und Peggy springt Michi vor Schreck auf den Arm.
Manni hat im Kartoffelkeller mit einer Kerze nach dem Kuhfuß gesucht, aber die Kerze hat irgendwie den Molly entzündet, und jetzt ist der ganze Keller voller Pommes frites. Manni, verrußt, aber unverletzt, kann seine Klamotten wegschmeißen. Er jammert, weil er nichts mehr anzuziehen hat.
Werni kommt mit dem Stadtplan und einem Brief von der Tochter des Oberstadtbaurats. Den stopfe ich ungelesen In die Mülltüte. Fritzi, etwas verlegen, aber aufgeregt wie beim Kindergeburtstag, präsentiert mir einen mit rotem Samt ausgeschlagenen Koffer: »Du, Laui, Ich könnte dir mein Demobesteck leihen. Du mußt mir aber versprechen, alles heil zurückzugeben. Das ist nämlich noch aus Brokdorf!«
Die vertrauenerweckenden Gegenstände in dem kostbaren Koffer machen einen äußerst gepflegten Eindruck: Wurfanker mit Seil, Helm, schwarz und ohne Kennzeichnung, dunkle Motorradbrille, ein Gummiknüppel (Bereitschaftspolizei Unterhaching), ein längerer Holzknüppel (Esche, MEK Hamburg), Gasmaske (Deutsche Kriegsmarine 1944), Tampons, Kopfschmerztabletten, Zitronenextrakt und ein Vermummungstuch.
»Geil, nä?« sagt Fritzi. Dafür gibt’s eine Umarmung mit Kuß auf die Backen.
Der Wagen ist voll, Abmarsch.
Gabi ruft: »Komm Trotzki, ausgehen!«
Trotzki kriecht freudig erregt unter dem Küchentisch hervor und hat sein Geschirr im Maul.
Wir gehen alle auf den Hof. Peggy und Michi schnallen Trotzki vor den Einkaufswagen. »Der kennt das von den Wochenendeinkäufen«, sagt Gabi. Gerti verstaut noch einen Strauß Papierfähnchen mit HB-Reklame, falls ich mal irgendwo was markieren will.
Auf dem unnützen Balkon vor ihrer Küche steht die alte Frau Eggebrecht und beobachtet die Szene. Sie hält sich einen Vogelbauer mit einem Schrumpfgeier oder einer Tüllmeise drin vor den Bauch: »Ihr habt vorhin schon wieder einen Molly hochgehen lassen!«
Manni tut so, als habe er nichts gehört.
Gabi sagt, es sei ein Versehen gewesen. Frau Eggebrecht nörgelt weiter: „Sowas darf aber nicht dauernd passieren. Für meinen Tschibi ist das gar nicht gut.«
»Tut uns wirklich leid«, sagt Gabi, »können Sie uns mal fotografieren?«
Gabi reicht der alten Frau Eggebrecht ihren Fotoapparat hoch, alle stellen sich fröhlich auf zum Gruppenfoto, Frau Eggebrecht fotografiert beachtlich routiniert: »So, Genossinnen und Genossen, das war’s.«
Dann nehmen mich alle in den Arm und verabschieden sich. Manni feuert mit Leuchtspurmunition den Startschuß ab. Trotzki zieht einfach los, ich hinterher, packe ihn am Halsband. Das Fahrverhalten des Aldi-Wagens hat japanischen Standard, die starre Hinterachse rumpelt im unebenen Gelände.
Wir durchqueren den Hof, kommen unter einen Torbogen und treten auf die Straße.
Mitten auf dem geraden Weg, zwischen mir und dem Polizeirevier gegenüber, steht eine Telefonzelle. Die muß weg.
22.
So ein Friedhof wird angelegt nach moralischen, hygienischen, ästhetischen, ökonomischen und städtebaulichen Maßstäben. Ökologiemäßig ist da gar nichts drin.
Die Vögel sind genauso kaputt wie auf jeder anderen Müllkippe auch. Die Maden und Würmer leiden alle unter Lebensmittelvergiftungen, die Ameisen schlüpfen in Schutzanzüge, die ersten Ratten mit natürlich gewachsenen Gasmasken wurden bereits gesichtet, ihr müßt die Frage der real existierenden Friedhöfe ganz neu angehen. Das Thema ist ja
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