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Mømø im Legøland

Mømø im Legøland

Titel: Mømø im Legøland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Piewitz
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Sahnespektakel, wie der Lkw die Telefonzelle hinter sich herzieht. Und laut: Ein durchdringendes Geschepper, wie es nur in dieser historischen Situation entstehen kann. Der Lkw-Fahrer kriegt gar nicht mit, was da hinter ihm abrollt, er schleift die Zelle um die nächste Ecke. Beifall bei den Fans. Gegenüber, auf dem Revier, stürzen die Wachhabenden an ihre beiden Fenster. Sie sehen gerade noch, wie eine verrückte Telefonzelle einem alten Käfer beide Kotflügel und das Trittbrett rausreißt, bevor sie in der Querstraße verduftet.
    Da werden die Jungs aber vom Jagdfieber gepackt! Mützen aufsetzend, Koppel festschnallend, Pistolen ziehend stürzen sie aus der Wache, vereinzelt hört man aufmunternde Tatütata-Rufe, und sie laufen... Wunderbar!
    Von meinen Leuten will niemand mit aufs Revier. Jedenfalls nicht freiwillig. Ein letztes Schulterklopfen, und dann gehe ich mit Trotzki und dem Wagen über die Straße, gerade auf den Eingang der Wache zu. Es ist etwas schwierig, den Wagen die Treppe bis ins Parterre hochzuwuchten, aber wir schaffen es.
    Ich mach die Tür hinter mir zu, schau an, die haben hier sogar einen Riegel, den man vorlegen kann — und das tue ich auch. Vielleicht machen sie Feierabend, wenn sie wiederkommen und merken, daß sie hier nicht mehr reingelassen werden.
    Hinter mir die Treppe, die wir gerade hochgekommen sind; links ein Gang, irgendwelche Büros, links vor mir die Treppe in den ersten Stock; gerade vor mir, kleine Treppe runter, der Hinterausgang.
    Rechts, eine sperrangelweit offene Tür — die Wachstube.
    Ich schleiche mich an, sehe vorsichtig rein — niemand drin. Die Leute haben ihren Arbeitsplatz fluchtartig verlassen. Ich weiß, was ich gut gebrauchen könnte, und Ich finde es tatsächlich: hinter der langen Theke, eingerahmt von den beiden Fenstern, im Spind — eine Polizeiuniform.
    Die Hose hat viel zu kurze Beine, dafür ist der Bauchumfang eher für ein Pferd geeignet, aber da Hosenträger dabei sind, kann ich sie mir zurechthängen. Weil ich keine Polizeihose an der nackten Haut vertrage, ziehe ich sie über meine eigene drüber. Die Jacke hat, well der Uniformbesitzer in wohlgeordneten Proportionen lebt, viel zu kurze Ärmel. Das andere paßt zur Hose. Unser Kopfumfang ist ähnlich, also setze ich die Polizeimütze auf. Der Eindruck, den ich aus dem Spiegel über dem Waschbecken von mir gewinne, ist niederschmetternd.
    Während ich versuche, das Beste aus mir zu machen, höre ich einen Moment dem Stimmenwirrwarr zu, das aus einem Funksprechgerät auf einem der Schreibtische kommt:
    Popel 6 an Zentrale, bitte kommen — hier Zentrale, was ist denn, Popel 6? — Habt Ihr irgendeinen Sondereinsatz laufen, was Geheimes? Bei uns ist eben eine Telefonzelle vorbeigefahren. Ende. — Zentrale an Popel: Stellen Sie das Kennzeichen fest, und warten Sie auf weitere Anweisungen. Ende Popel 6. —
    Ich verlasse mit sicherem Beamtentritt die Wachstube und marschiere wieder ins Treppenhaus. Die Hintertür ist unverschlossen, und während ich Trotzki und den Wagen das Treppchen runterbugsiere, höre ich, wie die zurückgekehrten Bullen vor ihrer Eingangstür randalieren. Raus hier, aber schnell.
    Zügig schreiten wir über den großen Parkplatz auf der Rückseite der Revierwache, und als ich zwei uns entgegenhastende Bullen, die aussehen wie Belmondo und Ventura als Gartenzwerge, lässig die Hand an die Mütze legend, grüße, sieht Trotzki mich mit einem kurzen Seitenblick an, als hätte ich einem blinden Kind den Lolli geklaut. Der hat’s nötig: Trotzki hat in der Wachstube an die Zentralheizung gepinkelt...
    Wir müssen über die Hauptverkehrsstraße, sechsspurig. Wofür bin ich Bulle?
    Ich halte an, was kommt. Es ist beeindruckend: Alle Karren stehen still, wenn mein starker Arm es will. Die Damen und Herren Chauffeure sind hervorragend diszipliniert: sie steigen auf die Bremsen und warten. Für alle eine willkommene Gelegenheit, da weiterzumachen, wo sie bei der letzten Ampel aufgehört haben: Sie stecken ihre Finger In die Nasenlöcher und popeln wie wild. Die meisten schmieren den Kram unter den Fahrersitz, aber einige auch aufs Dach.
    Was sich bislang nicht durchgesetzt hat, ist das Sich-gegenseitig-in-der-Nase-Bohren, sogar bei Liebespaaren sieht man es nur selten.
    Trotzki, der Aldi-Wagen und ich überqueren unbehelligt die Fahrbahn durch das Spalier der Autos, und weil denen niemand einen Befehl erteilt, weiterzufahren, dauert es sehr lange, bis das erste wagt, sich

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