Mømø im Legøland
verdoppeln und somit zu erneuern. Die DNS ist unsterblich, und weil sie ein Teil der Leute ist, könnten sie es auch sein. Aber sie begreifen das nicht. Sie kriegen es nicht in die Birne, daß ihr Nervensystem ein Roboter ist, der durch die DNS, den genetischen Piloten, gesteuert wird, und daß es nur darum geht, diesen Piloten zur Kursänderung zu zwingen.
Der Tod der Leute ist heilbar. Sie müssen nur ihre Programmierung ändern. Aber was tun sie? Sie scheuchen ihr Gehirn durch die Gegend, statt es zu gebrauchen. Sie tun nicht das, was sie wirklich tun wollen. Sie gehorchen lieber fremden Befehlen, womöglich noch gegen Bezahlung. Und deswegen sterben ihre Hirnzellen ab. Das ist ein Beweis für die katastrophale menschliche Dummheit. Dabei ist Unsterblichkeit tatsächlich die einzige Ursache, an der man nicht stirbt, oder? Die Leute sind offenbar sogar zu dämlich, sich vorzustellen, wie-
viel Spaß es macht, seine Rentenansprüche durchzusetzen, wenn man unsterblich ist.
Was ich da schon alles erlebt habe... Darüber könnte Marx gewiß eine sehr kurzweilige Abhandlung verfassen!
30.
So einen Peitschenmast der Straßenbeleuchtung wollte ich immer schon mal abholzen. Die Dinger geben ein zu unpersönliches und unvorteilhaftes Licht. Aber das ist schwieriger, als zum Beispiel den Mast einer Hochspannungsleitung niederzumachen: Da muß man nur zusehen, daß die Zündschnüre lang genug sind und man weit weg ist, wenn die 200 000 Volt herunterkommen. Aber wenn man so einen Peitschenmast durchsägt, kann man leicht mit der Säge an die innen laufende Leitung geraten und dann fürchterlich eins gewischt bekommen. Ich arbeite also äußerst konzentriert und vorsichtig, so wie Hackethal bei der Sterbehilfe. Nach etwa einer Stunde gibt die zweite Eisensäge auf, aber der Peitschenmast kann auch nicht mehr: er fällt quer über die Straße auf eine Plakatwand mit einer geschmackvollen Feinstrumpfhosenreklame, die sich sofort flachlegt.
Wir müssen eine kleine Böschung überwinden, und da endet der gerade Weg an einer Kirchen-
LⒶUI gegen Krieg und Imperialismus. Das sind die, bei denen meine Art von Dogmatismus besonders gut ankommt. Einige Leute errichten ihre Büchertische und wollen die angesagte Literatur, Buttons und Aufkleber verhökern. Drei Frauen gründen eine Band (Geige, Flöte, Bongos) und versuchen sich an indianischer Folklore, bis die Basis geschlossen mit weißen Tempotaschentüchern winkt zum Zeichen, daß sie sich ergibt. Ein Toilettenwagen wird herangerollt, Würstchenbuden schießen aus der Erde, dann macht sich auch noch eine WG mit selbstgebackenen Mohnkuchen und selbstgepreßtem Fliederbeersaft breit, und überall schwirren die Frisby-Scheiben durch die Luft.
Der Friedhof schäumt von Peace and Understanding.
Manni, der unermüdliche Aktivist, fährt den Aldi-Wagen in die Garage des Pfarrhauses, das völlig unbeteiligt neben der Kirche steht, und Kittner erscheint im dunklen Anzug mit Krawatte, weil er hofft, heute endlich mal im Fernsehen auftreten zu dürfen. Dann gibt Hinnerk, der seit Jahren vom Frieden klampfend durch die Welt zieht und dem man beste Beziehungen zum Ostblock nachsagt, ein Solidaritätskonzert. Aber von dem denkwürdigen Abend, als er seine Frau an den Haaren durchs Zimmer schleifte und versuchte, sie in den brennenden Kamin zu stopfen, und von jener aufgeregten Nacht, als er seine Freundin so auf die
Nase drosch, daß sie ins Krankenhaus mußte, erzählt er nichts in seinen Zwischenmoderationen. Da hat er von seiner Plattenfirma auch Dispens erhalten, well die genau weiß, wieviele Kommunisten tagtäglich ihre Weiber verdreschen. Also kann nichts die Harmonie dieser Stunden stören, auch nicht die Dichterin mit den Reimen in ihrem Bauchladen, und schon gar nicht die pädophile Horrortruppe, die extra aus Nürnberg angereist ist und deren spuckendes Oberquietschie immer durch seine blauschwarze Glattrasur auffällt. Sogar Oma Eggebrecht in ihrer Kittelschürze hat sich eingefunden und begrüßt Kittner: »Na, du alter Revisionist, dir rieselt ja immer noch der Kalk aus der Hose.« Am Rande der Lichtung versucht ein Grüppchen älterer Leute einen alten Sprechchor zu neuem Leben zu erwecken: »Heißes Wasser aus Heißwasserboilern für alle unter der Kontrolle des Volkes!« — aber großen Erfolg haben sie damit nicht.
Ich glaube, es sind ein paar hundert Leute erschienen, und wie immer wesentlich mehr Lehrerinnen und Lehrer als Maurer und Verkäuferinnen.
Meine
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