Mømø im Legøland
Flügel verloren, Eisenbahnschienen wurden aus purem Übermut hochgeklappt, während einige Fabrikschornsteine nun flachliegen. Ein städtisches Schwimmbad ist kurzerhand mit dem Schutt gefüllt worden. Die Schneise führt wie eine breite Straße durch die Empfangshallen von zwei Versicherungsgesellschaften, hat eine Autowaschanlage verschwinden lassen und die Lagerhalle einer Küchenmöbelfabrik geschleift.
Und zügig frißt sich die Schneise weiter voran, unerbittlich angetrieben von den Ökostrategen, die so rasant säen und pflanzen, daß die Sprengmeister und Schaufelbagger an der Spitze kaum einen Vorsprung erarbeiten können. Jetzt wird mit beachtlichem Glasbruchaufkommen ein Supermarkt beseitigt, wobei das Prinzip der Selbstbedienung seinen endgültigen Durchbruch erlebt. Hier eine Flora anzulegen lohnt sich nicht — wie auch an anderen Stellen wird einfach eimerweise grüne Farbe ausgekippt.
Ich schaue durch mein Fernrohr.
Wenn dieser U-Bahnhof beseitigt ist, was nicht so schwierig sein kann, weil wir ihn einfach in den U-Bahn-Schacht kippen werden, kommt der dickste Brocken: Die neue Staatsoper.
Das ist dann das letzte Gebäude, was sich auf dem geraden Weg zwischen mir und meinem Zuhause befindet. Ich habe dieses Bauwerk noch nie von innen gesehen.
Ich denke, das Dynamit wird mir ein passables Entrée verschaffen...
38.
Es stellt sich die Frage, wo es noch etwas zu tun gibt.
Wir haben alternative Autoreparaturwerkstätten, alternative Molkereiprodukte und alternative Zirkusunternehmen, wir haben es geschafft, auf so ziemlich allen Gebieten unsere alternative Position zu verdeutlichen, von körnergetriebenen Fahrrädern über instandbesetzte Rathäuser bis zu selbstverwaltetem Badewasser und gestrickten Zeitungen haben wir alles erreicht.
Das einzige, was echt fehlt, ist ein alternativer Beerdigungsdienst:
»scenepeace — alternative Bestattungshilfe e.V.«
Fröhlich soll der Leichnam abgehen, lustig wie in Bali, da wird gejubelt, wenn eine(r) es endlich geschafft hat. Jedenfalls nicht so genormt wie im Legoland. und Frauen sollen nur von Frauen beerdigt werden. Auf Frauenbeerdigungen haben Männer nichts zu suchen. Nein, noch präziser: die Frauen brauchen eigene Frauenfriedhöfe. Dasselbe gilt natürlich auch für Neger und Schwule.
Das Bestattungsritual wird abgehalten in Form eines Flohmarktes, auf dem die Habseligkeiten der Leiche verramscht werden. Der Wohnraum kann durch Akklamation an eine(n) Bedürftige(n) weitergegeben oder unter allen fröhlich Trauernden verlost werden. Zur Erhaltung des eventuell vorhandenen Arbeitsplatzes bietet sich eine amerikanische Versteigerung an.
Ausgehend von der Erkenntnis, daß ein(e) verstorbene(r) vor allem eine sexuelle Lücke hinterläßt, sollen die bisherigen Partner bevorzugt angemacht und befriedigt werden.
Kinder können und dürfen beim Buddeln des Grabes helfen, weil ihnen das wesentlich mehr Spaß macht als das Wühlen in der Hundekacke städtischer Spielplätze.
Särge finden keine Verwendung. Die alternative Normalleiche wird in einem frühlingsfarbenen Umzugskarton bestattet, wer aus gesellschaftspolitischen Gründen nur eine kleine Gedenkstätte beansprucht, aber auf ein eigenes Grab verzichtet, hat Anspruch auf einen Platz im nächsten Biogastank, wenn er sich nicht als Mumie im Bundesverteidigungsministerium oder als abschreckendes Beispiel in Kunstharz ausstellen lassen will. Gräber und Gedenkstätten werden mit Cannabis bepflanzt. An Jahrestagen findet für die echt Betroffenen ein Gedächtniskiffen statt.
Leute mit langjähriger Praxis in Selbsterfahrungsgruppen können sich in einem alternativen Kühlhaus einfrieren lassen, sofern sie in der Lage sind, die anfallenden Stromkosten im voraus zu bezahlen. Diese Art, die Zeit totzuschlagen, eröffnet die begründete Hoffnung, bei entsprechenden Fortschritten der Medizin, Unsterblichkeit zu erlangen.
ich bin jetzt annähernd 170 Jahre alt, derselbe Jahrgang wie die erste Lokomotive, und ich sage euch klipp und klar: wer unsterblich werden will wie der alte Bakunin, muß die zeit totschlagen. ihr müßt die Uhren anhalten! wenn es keine zeit mehr gibt, dann gibt es auch keiMømønen Anfang und kein Ende. Keine Geburt und keinen Tod.
Die Leute können ihre Begräbnisrituale vergessen, wenn sie sich auf die Alternative konzentrieren, die da lautet: Neutronenbombe oder Unsterblichkeit, ln dieser Frage müssen sie sich unter Druck setzen und eine Entscheidung fällen.
wer s nicht
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