Mond der Unsterblichkeit
Hügelkuppe führte. Im Vorbe i gehen scheuchte sie eine Schar Enten auf, die sich am Ufer niedergelassen hatte. Quakend flatte r ten sie davon.
Amber beobachtete einen Haubentaucher, der im Wa s ser gründelte, bis ihn der Nebel verschluckte. Das seichte Plätschern des Wassers, und die natürliche Idylle wirkten beruhigend. Doch als sie sich dem Wald näherte, begann ihr Herz schneller zu klopfen. Sie schalt sich hysterisch und ging energischen Schrittes weiter. Bevor sie den Trampelpfad betrat, drehte sie sich um, und sah zum Schloss zurück. Aber das verbarg sich hinter der inzwischen dichter gewordenen Nebelwand. Nur die Spitze des Wehrturms lugte heraus. Amber hatte den A n stieg unte r schätzt. Der Boden war glitschig. Immer wieder rutschte sie aus. Nach der Hälfte der Strecke kramp f ten ihre Waden, weshalb sie eine Pause einlegen musste. Was für eine blöde Idee.
Sie überlegte, umzukehren, doch dann trieb die Neugier sie weiter. Schließlich erreichte sie nach einer Weile die Lichtung, in dessen Mitte sich der Steinkreis befand. Atemlos näherte Amber sich den aufrechtstehenden Menhiren, die wi e derum den Steinkreis umrahmten. Die Bäume hinter dem Steinkreis verschwa n den im Nebel, sodass man glauben konnte, diese Stätte sei eine Insel im Ni r gendwo. Hatte sie nicht eben einen vorbeihuschenden Schatten gesehen? Ein Flü s tern gehört? Sie zuckte zusammen. Amber spürte die Kräfte, die von diesem Ort au s gingen, als unangenehmes Prickeln auf der Haut. Sie entschloss sich zur Rüc k kehr, doch etwas sog sie fest, ihre Beine klebten am Boden, und in ihrem Kopf begann sich alles zu drehen. Sie sackte mit dem Hi n terteil auf die Steine. Was war mit ihr los? Noch immer drehte sich alles. Sie schloss die Augen, in der Hoffnung, das Schwindelgefühl möge vorübe r gehen.
Amber schrak zusa m men, als eine Hand sich auf ihre Schulter legte. Sie hatte keine Schritte gehört.
„Entschuldigen Sie bitte, Miss, ich wollte Sie nicht erschrecken. Aber ich dac h te, Sie bräuchten vielleicht Hilfe.“
Die Stimme des Mannes klang freundlich und voller Mitgefühl. Amber sah zu ihm auf. Sofort fielen ihr die über der Nasenwurzel zusamme n gewachsenen, grauen Augenbrauen des Alten auf, die auf den ersten Blick einen strengen Ei n druck ve r mittelten. Aber der warme Ausdruck in seinem Blick milderte dies. Sein wettergegerbtes Gesicht zeugte von häufigem Aufenthalt im Freien. Amber schätzte ihn auf siebzig, vielleicht auch älter.
„Schon gut, es geht schon wieder. Mir war nur einen Moment schwindelig. Liegt wohl an dem Aufstieg und der ungewohnten Anstrengung auf dem ma t schigen Boden.“ Amber wischte sich mit dem Han d rücken Schweiß von der Stirn.
„Sie kommen von Gealach Castle, Miss?“ Es blitzte interessiert in seinen gra u en Augen auf, während er lächelte.
„Ja.“
„Sind Sie ein Gast der Macfarlanes, Miss?“
Amber schüttelte den Kopf. „Nein, mein Vater ist der neue Geschäft s führer der Brennerei.“
„Dann sind Sie die Stern-Tochter?“ Er lachte rau und rieb sich mit der Hand über den Stoppelbart, was ein kratzendes Geräusch veru r sachte.
„Stimmt genau. Kennen Sie meinen Vater?“
„Nein, aber hier in unserem kleinen Ort spricht sich alles schnell rum. Darf ich mich Ihnen vorstellen? Mein Name ist Ambrose Hornby, aber alle nennen mich Hermit, der Er e mit.“
Er streckte ihr die Hand entgegen. Sie fühlte sich warm und wider E r warten bei einem Mann seines Alters fest und fleischig an. Doch sie spürte auch die Verdickungen an seinen Fingern. Als hätte er ihre G e danken gespürt, streckte er ihr seine Hände entgegen.
„Gicht. Sie hat sich über Nacht in meine alten Knochen geschlichen. Muss damit Leben.“
„Meinen Namen kennen Sie ja schon.“ Sie lächelte schief. Amber wollte au f stehen, doch sie begann erneut zu schwanken und sank zurück.
„Haben Sie Geduld, das vergeht gleich wieder. Liegt an dieser Aura, diesem bösen Ort.“ Er blickte sich ängstlich um, als erwarte er, irgen d jemand nähere sich, um ihn am Kragen zu packen.
„Böser Ort? Ich dachte, das hier sei eine Grabstelle, ein Ort des Fri e dens.“
„Ist es. Und noch viel mehr.“
„Sie sprechen in Rätseln, Mr. Hornby.“
„So nennt mich hier niemand. Nennen Sie mich Hermit. Passt schon.“
„Also gut, Hermit, ich verstehe nicht, was Sie mir damit sagen wollen. Liegt hier vielleicht ein Massenmörder begraben oder ist der Platz verflucht?“ In A m bers Kopf spielten tausend
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