Mond der verlorenen Seelen
Funken Menschlichkeit zu entdecken?
„Du bist so mutig und stark, Amber. Das wirst du in dieser Welt brauchen.“
Als sie zu Samuel sah, erkannte sie Revenant in ihm, der jetzt vollends die Macht über ihn besaß. Er kam auf sie zu. „Deine Seele wird jetzt mir gehören“, raunte er.
Amber spürte ein seltsames Kribbeln und erschrak, als sie sich umsah. Unzählige Dämonen versammelten sich an den Menhiren wie eine graue Mauer aus Rauch mit glühenden Augen und näherten sich ihr. Gierig streckten sie die Arme nach ihr aus. Amber warf einen Blick über die Schulter zurück in den Abgrund. Es gab nur zwei Alternativen. Entweder kämpfte sie gegen die Dämonen oder sie stürzte sich ins Tal der Angst. Tolle Aussichten! Noch schlechter, als sie zum ersten Mal den Dämonenpfad betreten hatte. Aber dieses Mal würde sie die Dämonen besiegen. Kampflustig ballte sie die Fäuste. Samuel grinste sie lüstern an.
„Ich kann den Augenblick kaum erwarten, wenn sich Seele und Geist von uns vereinen. Du gehörst hierher, Tochter des Windes. In deinen Adern fließt das Blut der Finsternis.“
Er wollte sie in die Enge treiben, sie zermürben, bis ihr Widerstand vor Furcht erlosch. Zorn stieg in ihr auf und verdrängte die Furcht. Mit dem Zorn spürte sie eine Welle ungeheurer Energie.
„Nein!“, rief Amber und drehte sich im Kreis. „Ich gehöre niemals hierher!“
Als Samuel die Arme über den Kopf hob, erfasste die Dämonen eine Unruhe, wie ausgehungerte Raubtiere, die nur auf ein Kommando ihres Anführers warteten, um sich auf die Beute zu stürzen.
Amber starrte ihnen entgegen. Besinne dich auf deine Kräfte, ermahnte sie ihre innere Stimme. Sie schloss die Augen und atmete tief ein. Ist die Übermacht zu groß, verbünde dich mit den Kräften deines Gegners. Nutze die Magie der Göttin des Lichts, die an jedem Ort herrscht. Diese Worte hatte sie einmal von Hermit gehört.
„Dämonen, Geister der Schattenwelt, verbündet euch mit der Tochter der Elemente. Feuer zu Feuer, Wasser zu Wasser, Erde zu Erde, Luft zu Luft, wie Tag und Nacht, Sonne und Mond. Wir alle gehorchen der Göttin Berkano, der Bewahrerin aller Dinge.“
Schon spürte sie die dämonischen Kräfte wie Wellen, die zu ihr brandeten und die Energie, die sie durchdrang. Ihre Angst ebbte ab, und ihr Herzschlag beruhigte sich. Amber breitete die Arme aus und sog wie ein Schwamm die dämonischen Kräfte auf. Blitze fuhren aus den Dämonen in ihren Geistkörper und luden ihn auf wie eine Batterie. Es schien, als bebe der Boden unter ihren Füßen. Ein Sturm zog auf und umkreiste sie wie der Schlauch eines Tornados. Stimmen flüsterten ihren Namen.
Als alles abrupt endete, öffnete Amber die Augen. Die Dämonen verharrten unbeweglich an der gleichen Stelle. Es war unfassbar, dass es ihr gelungen war, sie zu besänftigen.
„Deine Kräfte sind erstaunlich gereift, aber du kannst mir nicht entkommen. Auch wenn du die Dämonen bezwungen hast, sie werden sich nicht gegen ihren Lord stellen“, hörte sie Revenant sagen.
Ambers Lippen verzogen sich zu einem müden, hoffnungslosen Lächeln. Wie hatte sie sich stark gefühlt, als es ihr gelungen war, die Dämonen abzuwehren. Doch nun scheiterte sie an Revenant, dessen Macht und Grausamkeit alles übertraf, was sie kannte. Er beherrschte die Schattenwelt, und wenn ihn niemand stoppte, bald auch die ihre. Und das alles nur, weil sie versagt hatte.
Er streckte seine Hand aus, und sie spürte, wie er nach ihrem schlagenden Herzen griff, das ihr transparenter Geistkörper preisgab. Revenant war der Seelensammler!
Deutlich erinnerte sie sich noch an Sallys Worte und die Furcht, die darin mitschwang. Amber versuchte, sich zu wehren, stemmte sich gegen den Sog, der ihr Herz auseinanderriss, aber gegen Revenant besaß sie keine Chance. Triumph lag in den Augen des Lords, als ihre Beine nachgaben und einknickten. Alles, wonach sie sich in diesem Augenblick sehnte, war der Tod, der ihrer Qual ein Ende bereitete und sie aus den Klauen der Finsternis befreite. Aber das Schicksal zeigte kein Einsehen.
-31-
A idan kannte den von Cecilia beschriebenen Platz aus seiner Kindheit und verband mit ihm Erinnerungen, die er lieber vergessen wollte. Dad hatte an diesem Ort dem keltischen Gott Taranis Rituale gewidmet. Tieropfer waren dabei keine Seltenheit gewesen. Das hatte ihn abgestoßen und ihm wochenlang Albträume beschert. Dad hatte ihn gezwungen, ihn zu begleiten, damit auch aus ihm ein Druide werden sollte.
Die
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