Mond der verlorenen Seelen
überraschten Gegner, krallte sich in seinen Rücken und versenkte seine Zähne in dessen Hals. Hastig begann Aidan, das heraussprudelnde Blut aufzusaugen. Er musste den sterblichen Körper schwächen, um Revenant zu dominieren.
Bereits nach wenigen Schlucken knickten Samuels Beine ein, und er fiel röchelnd auf die Knie. Sein Puls schlug unregelmäßig, bis er erschlaffte und vornüberfiel. Aidan landete auf ihm und drückte den zuckenden Körper auf den Boden.
„Töte mich endlich“, wisperte Samuel.
Aidan ließ von ihm ab.
„Töte mich“, forderte Samuel erneut.
Aber Aidan zögerte, weil er Mitleid mit Samuel fühlte, der ebenso wie er ein Gefangener der Schattenwelt war.
„Wenn du ... mich nicht tötest... ist Amber verloren.“
Samuels Stimme war nur noch ein Hauch.
„Amber“, sagte Aidan leise, als er ihren verzweifelten Kampf gegen den Lord in der Schattenwelt spürte. Mit einem Ruck zog er Samuels Kopf hoch und riss ihm die Kehle heraus. Ein gurgelndes Geräusch folgte, dann sank Samuels Kopf auf den Boden. Seine weit aufgerissenen Augen starrten ins Leere. Aidan verabscheute seine Tat und sah auf seine blutverschmierten Hände hinunter, die nicht nur Samuel getötet hatten. Das, wovor er sich am meisten gefürchtet hatte, war eingetreten. Er war zu einer reißenden Bestie geworden. Nun konnte er nur hoffen, dass Samuels Tod nicht sinnlos gewesen war und Ambers Seele zurückkehrte. Er wischte das Blut an der Kleidung ab und erhob sich. Die Brandwunden verheilten bereits. Nur einen Atemzug später stand er neben Amber und beugte sich über sie. Sie war mehr tot als lebendig, ihr Inneres befand sich weit entfernt in der Schattenwelt. Ihr Puls war schwach zu hören.
„Amber, kehr zu mir zurück“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Als nichts geschah, zog er sie an den Schultern hoch und schüttelte sie in seiner Verzweiflung. Sie so leblos in den Armen zu halten, konnte er kaum ertragen.
„Amber, du musst zu mir zurückkehren!“, rief er.
Nicht einmal ihre Lider zuckten mehr und die Arme hingen schlaff hinab.
Obwohl er Samuel getötet, und damit den Pakt zwischen ihm und Revenant gebrochen hatte, waren sie von dem Lord besiegt worden. Amber war für immer verloren, ihre Seele im Meer der verlorenen Seelen bis in die Ewigkeit gefangen. Er war zu spät gekommen. Sanft strich er über ihre Wange und Lippen.
„Amber, du darfst mich nicht verlassen!“
Er wiegte sie in seinen Armen und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Er brüllte seinen Schmerz hinaus.
Dann hob er sie vorsichtig, als wäre sie aus zerbrechlichem Glas, von der Felsplatte auf seine Arme. Er drückte ihren Kopf an seine Brust, um ihren Atem zu spüren. Nie wieder würde sie zurückkehren, sich an ihn schmiegen und ihn rufen. Was sollte er ihrer Mutter erklären? Er wusste nur eins: Sie würde ihn hassen. Er hasste sich selbst.
Der Schmerz brannte in seinem Inneren wie Feuer. Als er den Steinkreis erreichte, sah er, dass das Tor zur Schattenwelt noch geöffnet war. Er schwor, noch heute dorthin zurückzukehren, um Ambers Seele zu befreien und Revenant zu vernichten.
Alles, was Amber fühlte, als sie aus der Ohnmacht erwachte, war dieser enorme Druck auf ihrer Brust, als wenn ihr jemand das Herz aus dem Leib riss. Als sie die Augen aufschlug, blickte sie in Revenants rot glühende Augen. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo sie sich befand und vor allem, was mit ihr geschah.
Der Seelensammler wollte ihre Seele! Es wäre besser gewesen, nicht aus der Ohnmacht zu erwachen, und sie sehnte sich nach der schützenden, alles vergessenden Dunkelheit. Aber dieser Wunsch wurde ihr nicht erfüllt.
Revenant kicherte, als er ihr pulsierendes Herz in seiner Hand hielt. Jetzt würde sie für immer seine Gefangene sein. Ein Leben der Verdammnis führen ohne Zurück. Genau wie Aidan.
Sie wollte aus der Trance erwachen, endlich wieder zurückkehren und schrie. Aber ihr Schrei verpuffte in der Stille dieser Welt.
Plötzlich verwandelte Revenant sich wieder in Samuel. Er ließ ihr Herz los und sah sie mit besorgter Miene an.
„Ich weiß, du wirst mir nie verzeihen. Leb wohl, Amber.“
Verwirrt blieb sie ihm eine Antwort schuldig und starrte ihn an. Seine Konturen begannen, zu verwischen und auseinanderzulaufen, bis er sich auflöste und nur noch ein fluoreszierender Schein übrig war. Wie bei einem Tuschebild mit zu wässriger Farbe, bei dem die Ränder verliefen.
„Samuel?“
Der Schein erlosch. Sie spürte seinen Tod und die
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