Monde der Finsternis 03 - Mond der Ewigkeit
die Flammen ihrer Hände auf die Pflanze, als eine zweite ihr Bein umwickelte und sie zu Fall brachte. Je mehr Amber sich wand, desto fester packten die Triebe zu und die Dornen bohrten sich tiefer in ihre Haut. Der brennende Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen. Sie presste die Kiefer zusammen, um nicht aufzuschreien. Diese erste Schlacht war verloren, aber sie würde nicht aufgeben. Immer weiter und schneller verschnürten die Ranken ihren Körper und zogen sie zum Stamm, vorbei an den kahlen Bäumen. Die Werwölfe und Revenant folgten ihr. Gier flackerte in ihren Augen.
Der Baum der Finsternis thronte auf einer Anhöhe zu Füßen des Gebirges. Seine Krone hätte ein Land in der Größe der gesamten britischen Inseln überschatten können. Der Anblick ließ ihren Atem stocken. Immer unwahrscheinlicher wurde es, die Wurzeln dieses mächtigen Baumes zu kappen. Die Ranken waren so dick wie ein menschlicher Arm, aber die Wurzeln übertrafen das um ein Vielfaches. Sie fühlte sich wie ein Insekt, eingesponnen von der Spinne und darauf wartend, ausgesaugt zu werden. Du darfst nicht aufgeben, du kannst ihn besiegen, besinne dich auf dich selbst, hörte sie plötzlich Myrddins Stimme, als stünde er neben ihr.
Die Ranken drehten sie und hievten sie hoch, bis sie mit dem Rücken an den Stamm gepresst wurde. Ein Arm war von den Pflanzen gefesselt, den anderen legte sie an die Rinde, unter der es brodelte wie bei einem Vulkan. Alles in der Schattenwelt war kalt, bis auf diesen Baum, durch den das Blut vieler Opfer floss. Amber erschauerte, als sie ein gleichmäßiges Pochen wahrnahm, als schlüge ein Herz in seinem Inneren. Wenn ihr jetzt keine Lösung zuflog, würde der Baum ihre Energie aussaugen und sie zur willenlosen Marionette der Schattenwelt machen. Niemals hatte sie sich derart hilflos gefühlt wie in diesem Augenblick. Es war wie ein einziger, nie enden wollender Albtraum. Sie wagte nicht, sich zu bewegen, weil die Dornen sich sonst immer tiefer in ihr Fleisch schneiden würden.
Revenant trat neben sie und legte seine Hände gegen den Stamm. Die Pulsation im Baum verstärkte sich sofort.
„Ich spüre deinen Herzschlag, so wie du meinen fühlen kannst. Der Baum der Finsternis und Weisheit wird mir deine Kräfte offenbaren und schenken. Ich kann es kaum erwarten, die Elemente und Dämonen zu beherrschen und die Welt der Sterblichen zu unterwerfen.“
Triumph lag in seinem Blick, und er seufzte voller Zufriedenheit. Amber suchte vergeblich nach dem Jungen William, der so liebevoll gewesen war. Das Schicksal hatte ihn zu dem Monster geformt, das er jetzt war, geprägt durch seinen brutalen Vater, die Ausbildung zum Krieger, die ihn hart und unerbittlich werden ließ und zum Schluss Abunde, die ihn in die Finsternis gezogen hatte. Ein Schicksal, wie es schrecklicher nicht hätte sein können. William MacFarlane war tot und mit ihm jeder Funke Menschlichkeit. Das, was sie vor sich sah, war sein Unheil bringender Schatten.
Die Augen der Werwölfe verfolgten jede Bewegung Revenants. Sie jaulten und winselten, als ihr Herr sich an den Baum lehnte und die Arme ausbreitete.
„Verschwindet, jaulendes Pack“, befahl Revenant, „dieser Moment gehört mir und ihr.“
Sein Gesicht verzerrte sich zu einer diabolischen Fratze, die nichts gemein hatte mit dem einst tapferen Krieger. Seine Finger gruben sich in die Baumrinde, aus der Blut quoll, das er gierig ableckte. Das Blut unzähliger Opfer. Amber wandte vor Ekel den Kopf beiseite. Die Werwölfe verharrten noch immer.
„Verschwindet oder ihr werdet als erste die Demonstration meiner Macht zu spüren bekommen!“, brüllte der Vampirlord.
Die Bestien klemmten ihre Ruten zwischen die Hinterbeine und liefen davon.
Alles, was Amber spürte, waren Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.
Gleich würde auch sie dem Baum zum Opfer fallen, wenn er die Kräfte aus ihr herausquetschte. Die Vorstellung ließ sie in Panik geraten. Sie versuchte, ihre Beine aus den schwarzen Schlingen zu ziehen, aber die Ranken zogen sich nur noch enger. Amber schrie auf, als die Dornen tiefer in ihr Fleisch drangen und ihre Beine brannten, als würde sie durch Feuer laufen. Sie unterdrückte den Schmerz, schloss die Augen und sammelte die Energie erneut in ihren Fingern für die Flammen. Als ihr Feuer die Rinde versengte, spürte sie eine Erschütterung unter sich. Die Wurzeln bäumten sich auf und die Äste des Baumes ächzten. Eine Ranke verbrannte, verkohlte und zerfiel zu Staub. Doch das
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