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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ßüberwucherten Feldweg, dann bremsten sie vor einem leerstehenden Holzhaus. Baedecker konnte eine Scheune und dahinter eine Gruppe kleinerer Schuppen erkennen.
    Sie gingen durch das trockene Gras zum Haus, wobei Baedecker jeden Zentimeter des Weges nach Schlangen Ausschau hielt. Dem Ranchhaus war anzumerken, dass es schon lange leerstand. Fenster fehlten, in den meisten Zimmern war der Verputz von den Wänden gefallen, an der Treppe gab es kein Geländer, die rückwärtige Veranda war auf einer Seite eingestürzt. Aber man konnte auch erkennen, dass es mit Sorgfalt und Präzision erbaut worden war. Die Veranda verlief um drei Seiten des Hauses, die Holztäfelung im Inneren war penibel ausgeführt, die geschnitzten Holzarbeiten waren noch vorhanden und die Steine des großen offenen Kamins eindeutig von Hand aufgeschichtet worden.
    »Wie lange steht es schon leer?«, fragte Baedecker, als sie durch den verstreuten Verputz in der Küche schritten.
    »Pop ist ‘ 56 gestorben«, sagte Dave. »Danach haben verschiedene Familien drin gewohnt, aber die hatten nie die Chance, was daraus zu machen. Es ist verdammt schwierig, hier seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Pop konnte sich nie entscheiden, ob er Farmer oder Viehrancher sein wollte. Er hatte nicht genügend Wasser, um eine Farm aufzuziehen, und nicht genügend Weideland für eine Ranch.«
    »Wie alt warst du, als dein Vater gestorben ist?«
    Dave trank einen großen Schluck Bier und starrte zum Küchenfenster hinaus. »Siebzehn«, sagte er. »Das war der erste Sommer, in dem ich nicht mit dem Zug hierhergefahren und geblieben bin. Ich hatte eine Freundin und einen Ferienjob in Tulsa. Wichtigeres zu tun.« Er pfefferte die Bierdose ins Spülbecken. »Komm mit hinten raus. Ich will dir was zeigen.«
    Sie gingen an der Scheune und den kleineren Gebäuden vorbei. Die Scheune war, wie das Wohnhaus, für die Ewigkeit gebaut worden. Baedecker las den Herstellungsort auf den gewaltigen Scharnieren – Libanon, Pennsylvania, patentiert 1906. Sie überquerten eine Wiese, und Baedecker musste schon wieder an Schlangen denken, als Dave stehen blieb, auf eine riesige, kreisrunde Mulde in der Wiese deutete und sagte: »Coot Lake.«
    Baedecker brauchte eine Weile, bis er es sah. Der Hügel, auf dem sie standen, wäre ein Teil des Ostufers gewesen, das verfaulte Holz unter ihren Füßen eine Rinne zum südlichen Teil des Bewässerungsgrabens, der den See mit Wasser versorgte, und die halb weggespülte Wölbung der Damm selbst. Fünfzig Meter entfernt, auf der anderen Seite des tiefer liegenden Geländes, befand sich der andere Deich mit einem halben Dutzend staubiger Pappeln, die sich über den unkrautüberwucherten Hang des Westufers neigten.
    »Richard«, sagte Dave, »fragst du dich manchmal, wie viel Zeit deines Lebens du mit dem Versuch verbracht hast, die Toten zufriedenzustellen?«
    Baedecker trank von seinem Bier und dachte darüber nach, während Dave sich auf einen Stein setzte und einen langen Grashalm pflückte, um darauf herumzukauen.
    »Ich glaube, wir unterschätzen diese Zeit«, fuhr Dave fort. »Wir denken nicht mal darüber nach, wir tun es einfach.« Er deutete auf eine Gruppe von Gräsern und Stauden zwanzig Meter entfernt in der flachen Mulde. »Da hatten wir unser altes Floß angebunden. Das Wasser war dort nur zwei bis zweieinhalb Meter tief, aber ich durfte nicht auf der Südseite schwimmen, weil es dort von Schling- und Wasserpflanzen nur so wimmelte und man sich mit den Füßen darin verfangen konnte. Pop riss sie jedes Jahr heraus, aber sie waren jeden Sommer wieder da. Er hat einen seiner alten Jagdhunde da draußen verloren, bevor ich geboren wurde. Dann – es muss mein dritter Sommer hier draußen gewesen sein, ich glaube, ich war neun –, verhedderte sich mein Hund Blackie in dem Zeug, als er versuchte, zu mir in Richtung Floß zu schwimmen.«
    Dave verstummte und kaute auf seinem Grashalm. Die Sonne war fast untergegangen, die Schatten der Pappeln fielen weit über den ausgetrockneten Teich. »Blackie war hauptsächlich Labrador«, sagte er. »Pop hat ihn mir geschenkt, als ich zur Welt kam, und irgendwie war das ungeheuer wichtig für mich. Vielleicht blieb er deshalb mein Hund, obwohl ich ihn nur noch im Sommer sah, als ich sechs wurde und Ma und ich fortzogen. Wir hatten in Tulsa keinen Platz für ihn. Trotzdem war es, als würde er das ganze Jahr auf diese zehn Wochen im Sommer warten. Ich weiß nicht, warum es so wichtig schien, dass er fast

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