Monde
Kuppel des Abendhimmels. Die Sonne war untergegangen, aber der Tag klammerte sich an die Hitze, wie Baedecker sich als Junge an die letzten süßen Wochen der Sommerferien geklammert hatte. Er brauchte nur wenige Minuten, bis er seinen alten Ortsteil erreicht hatte, seinen Ortsteil. Er freute sich, dass er im Freien und allein war.
Ackroyd wohnte in einem Viertel mit rund zwanzig Ranchhäusern am nordöstlichen Stadtrand, von wo Baedecker nur Felder und einen Bach in Erinnerung hatte, in dem man Bisamratten fangen konnte. Ackroyds Haus war in einem pseudospanischen Stil gehalten, ein Boot und ein Wohnwagen standen in der Garage, ein Wohnmobil in der Einfahrt. Die Zimmer im Haus beherbergten wuchtige Ethan-Allen-Möbel. Jackie, Ackroyds Frau, hatte eng eingedrehte Dauerwellen, Lachfältchen in den Augenwinkeln und einen niedlichen Überbiss, der sie aussehen ließ, als würde sie ununterbrochen lächeln. Sie war einige Jahre jünger als ihr Mann. Terry, ihr einziges Kind, ein blasser Junge, vielleicht dreizehn oder vierzehn, war ebenso schmal und still wie sein Vater vierschrötig und laut.
»Sag hallo zu Mr. Baedecker, Terry. Los doch, sag ihm, wie sehr du dich auf seinen Besuch gefreut hast.« Der Junge wurde mit einem Schubs von Ackroyds riesiger Pranke nach vorn gestoßen.
In dem vergeblichen Versuch, dem Jungen in die Augen zu schauen, beugte sich Baedecker vor, und seine ausgestreckte Hand verspürte den leichtesten Druck feuchter Finger. Terrys braune Haare wuchsen vorn am längsten und fielen über die Augen wie ein Visier. Der Junge murmelte etwas. »Freut mich, dich kennenzulernen«, sagte Baedecker.
»Terry«, warf seine Mutter ein, »geh jetzt. Zeig Mr. Baedecker sein Gästezimmer. Und dann zeig ihm dein Zimmer. Ich bin sicher, dafür interessiert sich Mr. Baedecker brennend.« Sie lächelte Baedecker an, und er musste unwillkürlich an frühe Fotos von Eleanor Roosevelt denken.
Der Junge wandte sich um und schlurfte voraus zur Treppe, die er zwei Stufen auf einmal nehmend hinuntersprang. Das Gästezimmer befand sich im Keller. Das Bett wirkte bequem, ein Badezimmer grenzte direkt an den Raum an. Der Raum des Jungen lag am anderen Ende eines mit Teppichboden ausgelegten Zimmers, das möglicherweise als Hobbyraum geplant gewesen war.
»Ich schätze, Mom wollte, dass Sie das sehen«, murmelte Terry und schaltete das trübe Licht in seinem Zimmer ein. Baedecker spähte hinein, blinzelte, trat ein und schaute sich genauer um.
Ein einzelnes Bett, ordentlich gemacht, ein kleiner Schreibtisch, eine Stereo-Kompaktanlage und drei dunkle Wände mit Regalen, Postern, einigen Büchern und Modellen – dem üblichen Krimskrams eines heranwachsenden Jungen. Aber die vierte Wand war anders.
Es handelte sich um eine Fotografie von Apollo 8, eine der Aufnahmen vom Erdaufgang, die bei den ersten und dritten Mondumkreisungen von den Außenkameras geschossen worden waren. Dieses Bild hatte einst die Fantasie der Welt angestachelt, hatte aber in den Jahren seither so übertriebene Verwendung gefunden, dass Baedecker es überhaupt nicht mehr zur Kenntnis nahm. Hier war es anders. Das Foto war vergrößert worden, so dass es sich als Hochglanzfototapete über die ganze Breite des Zimmers und vom Boden bis zur Decke erstreckte. Die Erde war leuchtend blau und weiß, der Himmel schwarz, der Vordergrund ein stumpfes Grau. Es war, als würde sich der Kellerraum des Jungen direkt auf die Mondoberfläche öffnen. Die dunklen Wände und das trübe Licht taten ein Übriges, um die Illusion zu vervollkommnen.
»Moms Idee«, murmelte der Junge. Er trommelte nervös auf einen Stapel Kassetten auf seinem Schreibtisch. »Ich glaube, sie hat es bei einem Flohmarkt gekauft.«
»Hast du die Modelle gemacht?«, fragte Baedecker. Auf den Regalen reihten sich graue Plastiknachbildungen aus Krieg der Sterne, Raumschiff Enterprise und Kampfs tern Galactica aneinander. Zwei große Space Shuttles hingen an dunklen Fäden in einer Ecke.
Der Junge vollführte eine Geste mit Schultern und Händen, ein halb unterdrücktes Schulterzucken, das Baedecker an seinen eigenen Sohn Scott erinnerte.
»Dad hat mir geholfen.«
»Interessierst du dich für das Weltall, Terry?«
»Ja.« Der Junge zögerte, dann sah er zu Baedecker auf. In seinen dunklen Augen leuchtete kurz die Panik allen zusammengenommenen Mutes auf. »Ich meine, früher mal. Sie wissen schon, als ich noch klein war. Ich meine, ich finde es immer noch interessant und so, aber irgendwie
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