Monde
gewaltigen Hochebenen und Gipfel, die er in New Mexico und Arizona gesehen hatte, aber dieses hier war steiler, spitzer und erhob sich nicht über der Wüste, sondern über einer Hochebene in dreitausenddreihundert Metern Höhe.
Am Nachmittag hatten sie die letzten Serpentinen hinter sich gelassen und gelangten auf die hohe Tundra. Die Veränderung waren erstaunlich. Die dichten Pinienwälder des Tals wichen einigen uralten und verkrüppelten Fichten, häufig bis zu dem Punkt verwittert, dass sie keine Zweige mehr an den westlich und nördlich ausgerichteten Seiten hatten, schließlich folgten hohe Stauden Wacholder, und selbst diese verschwanden allmählich, bis bloß Gras und rotbrauner Stechginster die felsige Tundra bedeckten. Für Baedecker, der über den letzten Kamm nach dem Canyon stieg, war es, als würde er von der obersten Sprosse einer Leiter auf das Dach eines hohen Gebäudes treten.
Von dem hohen Pass, den sie jetzt überquerten, konnte Baedecker Dutzende größere und kleinere Berggipfel und ein scheinbar endloses Panorama von Pässen, Graten, Hochwiesen und sanft rollender Tundra erkennen. Schneebedeckte Flächen überzogen die Landschaft. Über ihnen erstreckten sich flauschige Kumuluswolken bis zum zerklüfteten Horizont, und das weiß gefleckte Blau oben verschmolz fast mit dem weiß gefleckten Braun unten.
Baedecker machte eine Pause, keuchte, spürte Sturzbäche Schweiß auf sich und stellte fest, dass seine Lungen nach wie vor mehr Sauerstoff verlangten, als zur Verfügung stand. »Fantastisch«, ächzte er.
Maggie grinste. Sie nahm ein rotes Tuch, das sie auch schon als Stirnband benutzt hatte, aus der Tasche und wischte sich damit das Gesicht ab. Dann berührte sie Baedecker am Arm und deutete nach Nordosten, wo mehrere Kuppen entfernt Schafe auf einer Hochwiese grasten. Die grauen Flecken mischten sich mit den Wolken und Schneefeldern und Wolkenschatten und verliehen dem ganzen Panorama einen Hauch scheckiger Regsamkeit.
»Fantastisch«, wiederholte Baedecker. Sein Herz klopfte heftig. Ihm war, als hätte er einen dunklen Teil von sich in den Schatten des Canyons zurückgelassen. Maggie reichte ihm die Wasserflasche. Er spürte beim Trinken, wie ihr Arm den seinen berührte.
Tommy hockte sich auf einen Felsen und stocherte mit seinem Spazierstock in einem Klumpen Moos mit Lichtnelken. Deedee lächelte und drehte sich um. »Da ist Tom«, sagte sie und deutete auf eine winzige Gestalt weit entfernt auf der anderen Seite des Passes. »Ich glaube, er baut bereits das Zelt auf.«
»Das ist wunderbar«, murmelte Baedecker leise. Aus unerfindlichen Gründen fühlte er sich beschwingt in der kühlen , dünnen Luft. Er gab Maggie die Wasserflasche, und sie trank in vollen Zügen, den Kopf im Nacken, so dass sich das Sonnenlicht auf ihren kurzen, kastanienfarbenen Locken spiegelte.
Maggie hielt Deedee die Wasserflasche hin, aber die ältere Frau ergriff stattdessen ihre Hand. Mit der anderen Hand hielt sie Baedeckers Finger. Die drei standen ungefähr im Halbkreis. Deedee neigte den Kopf. »Danke, Herr«, sagte sie, »dass Du es uns ermöglichst, die Vollkommenheit Deiner Schöpfung zu schauen und diesen Augenblick mit lieben Freunden zu teilen, die mithilfe des Heiligen Geistes die Wahrheit Deines Wortes erkennen werden. Wir bitten im Namen Jesu Christi. Amen.«
Deedee tätschelte Baedeckers Hand und sah ihn an. »Es ist wunderbar«, sagte sie. Tränen schimmerten in ihren Augen. »Und geben Sie es zu, Richard«, sagte sie, »wünschen Sie sich nicht, Joan wäre hier, um es mit Ihnen zu teilen?«
Das Lager bestand aus drei Zelten um einen hohen, flachen Felsbrocken herum, der mutterseelenallein im Mittelpunkt eines großen Kreises der Tundra aufragte. In dieser Höhe gab es kein Feuerholz mehr, abgesehen von den Zweigen des verkrüppelten Gestrüpps, das zwischen den Felsen wuchs, daher stellten sie ihre beiden Gasbrenner auf einen flachen Stein neben dem Felsbrocken und starrten in die blaue Flamme, während die Sterne erschienen.
Vor dem Essen legten sie noch ihre weitere Route fest, während die Schatten von Wetterhorn und Matterhorn über die Hochebene krochen und langsam an den Terrassenwänden des Uncompahgre hinaufstiegen. »Da«, sagte Gavin und gab Baedecker das Fernglas. »Direkt am Ansatz des Südkamms.«
Baedecker schaute hindurch und erblickte ein flaches rotes Zelt zwischen den Schatten von Felsen. Zwei Gestalten bewegten sich um das Zelt herum, verstauten Ausrüstung und
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