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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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zum Bachbett durch den Canyon wand. Hier und da mussten die drei wegen eines Erdrutschs oder umgestürzten Baums vorsichtig zwanzig Meter über dem Wasser auf einem steilen, mit Fels oder Gras bedeckten Hang entlangbalancieren. Zuerst war Baedecker überzeugt, dass die Gruppe mit dem Hanggleiter unmöglich hier gegangen sein konnte, aber dann fielen ihm Stiefelabdrücke im weichen Boden und Furchen im Schlamm auf, die von dem Gestänge herrührten. Baedecker schüttelte den Kopf und marschierte weiter.
    Um neun Uhr brannte das Sonnenlicht auf die Felsen und erfüllte die Luft mit dem Duft von erwärmten Pinien und Fichten. Baedecker schwitzte in Strömen. Er hätte sich gerne kurz hingesetzt und die Jeans gegen Shorts getauscht, fürchtete aber, er würde die beiden anderen dann nie mehr einholen. Von Deedee und Tom Jr. war auf dem Weg hinter ihnen keine Spur zu sehen, aber Deedee hatte einen fröhlichen Eindruck gemacht, als sie das Lager abgebrochen und sich verabschiedet hatten. Tom Gavin ruhte sich nie richtig aus, sondern blieb immer nur für Sekunden stehen, trat von einem Fuß auf den anderen, spähte mit verkniffenen Augen den Weg vor ihnen entlang und sagte dann nur: »Fertig?«, worauf er wieder losstapfte, ohne Maggies oder Baedeckers Antwort abzuwarten.
    Nach der ersten Stunde war es nicht mehr so schlimm. Nach der zweiten Stunde war Baedecker in einen Rhythmus aus Schmerzen und Keuchen verfallen, der ganz erträglich schien. Kurz vor Mittag umrundeten sie einen Felsvorsprung, worauf zwei Gipfel in der Ferne sichtbar wurden, auf denen trotz des gerade verstrichenen heißen Sommers noch Schneekappen lagen. Gavin bezeichnete den stufenförmigen, flachen Gipfel als Uncompahgr e, den spitzeren als das Wetter horn. Einen dritten Gipfel konnte man über der Kammlinie gerade noch erkennen. »Uncompahgre sieht aus wie eine Hochzeitstorte, das › Wetterhorn ‹ ein bisschen wie das Mat terhorn, und das › Matterhorn ‹ hier hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem echten Matterhorn«, sagte Gavin.
    »Kapiert«, sagte Baedecker.
    Sie schritten weiter an Nadeln aus rotem Fels und Wasserfällen vorbei über den zunehmend schlechteren Pfad. An manchen Stellen ragten die Douglasfichten fünfundzwanzig Meter hoch auf; sie besetzten jedes Gelände, das flach genug war, um darauf zu wachsen. Die drei kamen durch einen dichten Hain von Goldkiefern, und Maggie ließ sie alle an den Bäumen schnuppern und erklärte ihnen, dass das Harz der Goldkiefer wie Karamel l bonbons roch. Baedecker fand eine frische Narbe, roch an dem Harz und verkündete, es würde eindeutig nach Schokolade riechen. Maggie schalt ihn einen Perversling. Gavin schlug vor, sie sollten alle ein bisschen schneller gehen.
    Sie aßen zu Mittag, wo der Silver Creek in den Cimarron River mündete. Inzwischen war der Pfad vollkommen verschwunden, und die drei brauchten eine halbe Stunde, bis sie einen Weg die letzten paar hundert Meter der Geröllhalde hinab zum Grund des Canyon gefunden hatten. Baedecker drehte sich um und hielt nach Deedee und Tommy Ausschau, konnte aber immer noch keine Spur von ihnen entdecken. Im Süden führte der Weg auf der anderen Seite des Flusses weiter, aber Baedecker konnte keine einfache Möglichkeit erkennen, den acht Meter breiten Strom zu überqueren. Er fragte sich, wie es Lude und Maria und den anderen gelungen war, hinüberzugelangen.
    Maggie verschwand kurz im Silver Creek, kehrte eine Minute später zurück und führte Baedecker an eine Stelle, wo ein Dutzend blaue Akeleien bei einem umgestürzten Baumstamm blühten.
    Ein Ring von Engleman- und Blaufichten umrahmten eine kleine Lichtung mit Gras und Farnbüschen. Ein schmales Bächlein plätscherte darin, und unzählige weiße und purpurne Blumen wuchsen im Gras, obwohl der Herbst schon fortgeschritten war. In der Nähe hämmerte ein Specht einen hektischen Code.
    »Wunderschöner Platz zum Lagern«, sagte Baedecker.
    »Ja«, sagte Maggie. »Und ein wunderschöner Platz, um nicht zu lagern.« Sie holte einen Hershey-Schokoriegel heraus, brach ihn auseinander und reichte Baedecker die Hälfte mit mehr Mandeln.
    Gavin betrat die Lichtung. Er hatte seinen schweren Rucksack wieder geschultert, ein Fernglas baumelte ihm um den Hals. »Hört zu«, sagte er. »Ich werde dort durch den Fluss waten, wo der Bach einmündet. Ich spanne ein Seil darüber. Dann folge ich dem Pfad dort auf der Westseite. Müsste einen knappen Kilometer bis zu diesen letzten Kehren sein. Ich warte

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