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Monde

Titel: Monde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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nickte. »Er hätte sterben können.«
    »Das stimmt«, sagte Maggie. »Zumal er entschlossen zu sein schien, die Namen sämtlicher Götter zu lästern, bis er endlich an den falschen geriet.« Sie schien Baedeckers Ernst zu bemerken, denn plötzlich veränderte sich ihre Stimme. »Hey, es ist doch alles gutgegangen. Warum grübelst du jetzt darüber nach?«
    »Mir macht nicht zu schaffen, was er getan hat«, sagte Baedecker. »Mir macht zu schaffen, was ich getan habe, als er da oben auf dem Felsen war.«
    »Du hast nichts getan«, sagte Maggie.
    »Genau«, sagte Baedecker und trank sein Weinglas leer. Er schenkte sich noch mehr ein. »Ich hab nichts getan.«
    »Aber Tommys Vater hat ihn runtergezerrt, bevor einer von uns die Gelegenheit dazu hatte«, sagte Maggie. Baedecker nickte. An einem Tisch in der Nähe lachten mehrere Frauen lauthals über einen unhörbaren Witz.
    »Ah, kapiert«, sagte Maggie. »Wir sprechen eigentlich über Scott.«
    Baedecker wischte sich die Hände an der roten Stoffserviette ab. »Ich bin mir nicht sicher«, sagte er. »Aber Tom Gavin hat seinen Sohn was Dummes machen sehen und ihn vor einer möglichen Katastrophe gerettet.«
    »Ja«, sagte Maggie, »und der kleine Tommy war … wie alt? … siebzehn, und Scott wird im März dreiundzwanzig.«
    »Ja, aber … «
    »Und der kleine Tommy war drei Meter entfernt«, sagte Maggie. »Scott befindet sich in Poona in Indien.«
    »Das weiß ich … «
    »Außerdem, woher willst du wissen, dass Scott auf eine Katastrophe zusteuert? Scott ist jetzt ein großer Junge, und wenn er ein paar Jahre damit verbringen will, Mantras zu singen und sein Taschengeld einem bärtigen Arschloch mit Jehovakomplex hinterherzuwerfen – tja, du hast deine Chance gehabt, ihm zu helfen, also, was hältst du davon, einfach mal dein eigenes versautes Leben in Ordnung zu bringen, Richard E. Baedecker?« Maggie trank einen großen Schluck Wein. »Oh, Scheiße, Richard, manchmal machst du mich so … « Sie verstummte und fing heftig an zu hicksen.
    Baedecker reichte ihr sein Eiswasser und wartete. Sie blieb einen Moment schweigend sitzen, machte den Mund auf, um etwas zu sagen, und hickste wieder. Beide lachten. Ein Damenkränzchen an einem der Nachbartische äugte missbilligend herüber.
    Am nächsten Tag, als sie im Golden Gate Park unter ihrem neu gekauften Sonnenschirm die orangefarbenen Pfeiler betrachteten, die in den tiefhängenden Wolken auftauchten und wieder verschwanden, sagte Maggie: »Du musst erst diese Sache mit Scott klarkriegen, ehe wir uns um unsere eigenen Gefühle kümmern können, oder?«
    »Ich weiß nicht genau«, sagte Baedecker. »Lassen wir es einfach ein paar Tage ruhen, ja? Wir sprechen Ende der Woche nochmal darüber.«
    Maggie schnippte sich einen Regentropfen von der Nase. »Richard«, sagte sie, »ich liebe dich.« Es war das erste Mal, dass sie das sagte.
    Am nächsten Morgen, als Baedecker aufwachte, weil strahlender Sonnenschein durch die Vorhänge des Hotels hereinfiel und der Lärm von Verkehr und Fußgängern von der Straße unten heraufdrang, war Maggie verschwunden.  
    Sie flogen nach Osten, nach Norden, dann wieder nach Osten, und gewannen an Höhe, als das bewaldete Land unter ihnen anstieg. Als der Höhenmesser zweitausendf ü nfhundert Meter anzeigte, sagte Baedecker: »Verlangen die Vorschriften der Air National Guard nicht irgendwo ab dieser Höhe nach Sauerstoff? «
    » Stimmt«, sagte Dave. »Bei plötzlichem Druckverlust in der Kabine fallen Sauerstoffmasken aus dem Deckenfach und treffen dich am Kopf. Bitte drück sie dir auf die Schnauze und atme ganz normal. Falls du mit einem Kind oder Kleinkind auf dem Schoß reisen solltest, entscheide dich möglichst schnell, wer von euch das Recht zu atmen hat.«
    »Danke«, sagte Baedecker. »Mount Hood?« Sie flogen schon eine ganze Weile auf den Vulkangipfel zu. Nun ragte er zu ihrer Linken hoch auf, der schneebedeckte Gipfel immer noch sechshundert Meter höher als sie selbst. Der Schatten des Huey glitt über den Teppich aus Bäumen unter und vor ihnen.
    »Allerdings«, sagte Dave, »und das da ist Timberline Lodge, wo sie die Außenaufnahmen für The Shining gemacht haben.«
    »Mmmm«, sagte Baedecker.
    »Hast du den Film gesehen?«, fragte Dave über Bordfunk.
    »Nein.«
    »Das Buch gelesen?«
    »Nein.«
    »Überhaupt mal was von Stephen King gelesen?«
    »Nein.«
    »Mein Gott«, sagte Dave, »für einen belesenen Mann, Richard, ist deine Kenntnis der Klassiker

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