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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Vorstandssitzung von E.G.C. (European Gentechnology Corporation) hatte einige Tage verschoben werden müssen. Die Stürme machten die Hochhäuser unsicher. Immer wieder wurden Scheiben eingedrückt und Angestellte durch herumfliegende Scherben verletzt. Auch die elektronischen Anlagen der Städte reagierten auf die Klimaveränderung so sensibel wie die Nervensysteme der Migränekranken. Nach drei Wochen ebbte auch dieser Frühjahrssturm langsam ab. Überall in der Stadt wurde aufgeräumt.
    Die Vorstandssitzung von E.G.C. war auf zehn Uhr anber aumt. Lui Carlton trat aus dem Aufzug, der ihn und Oliver in seine Geschäftsetage gebracht hatte, und stolperte beträchtlich. Der Aufzug hatte brav einundvierzig Stockwerke unter sich gebracht. Beim zweiundvierzigsten Stockwerk aber beliebte er eine Sekunde zu spät zu halten, etwa eine Treppenstufe über der Etage.
    Carlton hasste solche Ungenauigkeiten wie die Pest. Natürlich fluchte er nicht. Aber die abrupte Art, mit der er sein silbernes, würdevolles Haar wieder glatt nach hinten strich, ließ seinen Aktentaschenträger Oliver tief erschauern. Oliver schnellte an seinem Chef vorbei, um ihm die Tür zum Vorstandszimmer zu öffnen. Carlton startete und musste gleich darauf wieder hart abbremsen, denn Oliver war es entgangen, dass es sich um eine Doppeltür handelte. Die zweite, innere Tür war noch geschlossen. Er wandte sich quälend langsam zu Oliver um und blitzte ihn über diese kurze Distanz dermaßen an, dass dieser sofort in sich zusammensackte, als habe man ihn aller Knochen beraubt. Mit zitternder Hand fasste er an Carlton vorbei, tastete unsicher und brachte es schließlich doch noch fertig, um seinen Chef herum die Innentür zu öffnen. Ohne seinen Gehilfen eines weiteren Blickes zu würdigen, stieß Lui Carlton die Türe weit auf. Er wartete exakt, bis das Gemurmel der zwölf Vorstandsmitglieder von E.G.C. verstummt war. Dann erst schritt er in den Raum und nahm mit genau abgezirkelten Bewegungen an dem ovalen Tisch Platz. Schließlich winkelte er seine rechte Hand nach außen, hielt sie Oliver vor die Nase, und der legte die von Carlton benötigten Papiere hinein, ein Vorgang, den sie schon oft im Geheimen geübt hatten.
    "Meine Herren!", begann Carlton. "Seien Sie begrüßt! Ich bin sehr froh, Ihnen heute nur Gutes mitteilen zu können."
    Positives Denken gehörte zur Grundausbildung des Managements von E.G.C. In diesem Sinne verbreitete sich Carlton heiter über die ständig ansteigenden Absatzkurven. Er lobte die verhaltene, aber spürbare Unterstützung durch die verschiedenen Regierungen, die seit Asilomar keineswegs mehr selbstverständlich war. 1975 hatten sich in Asilomar bei San Francisco 140 Gen-Wissenschaftler aus aller Welt zu einem Internationalen Kongress über die Arbeiten mit neu kombinierten DNS-Molekülen getroffen. Das Ergebnis gilt in der Fachwelt als Meilenstein einer kritischen Forschung, die sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Der Kongress hatte eine Menge von Gesetzen zur Einschränkung der Genforschung zur Folge, auch in Deutschland. Diese Forscher hatten es offenbar nicht so mit dem positiven Denken.
    Aber E.G.C. war Gegenwind gewöhnt. Inzwischen hatte man in der Politik wieder neu Fuß gefasst. Diese Unterstützung zeigte sich manchmal nur indirekt, etwa in der konsequenten, strafrechtlichen Verfolgung von ernstzunehmenden Gegnern der Gentechnologie (oder Gegnerinnen, wie man sie z.B. in der "Roten Zora" findet). Aber manchmal zeigte sie sich auch sehr direkt darin, dass E.G.C. staatliche Fördermittel absahnen konnte, nach denen andere Institutionen sich die Finger leckten.
    Fast eine Stunde lang ergoss sich über die Zuhörer Finanzielles und Organisatorisches, bis Carlton mit einem kleinen Witz den Vortrag beendete. Er wurd e mit beträchtlichem Beifall belohnt.
    Ab und zu war Carlton durch ein Aufheulen des abebbenden Sturmes unterbrochen worden. Als wenn die Elemente der Luft zeigen wollten, dass sie zwar im Augenblick auf dem Rückzug, aber jeder Zeit bereit waren, sich wieder in Erinnerung zu bringen. Vielleicht sammelten sie auch nur neue Kraft.
    Rückfragen wurden gestellt, die ausnahmslos von Oliver beantwortet werden mussten. Auch das hatten sie so eingeübt.
    Während Oliver sich redlich abmühte, gestattete Lui Carlton sich träumerische Ausflüge in wissenschaftliche Zukunftssphären. Genau gesagt handelte es sich um eine sehr nahe Zukunft. Bei diesen Ausflügen spielte Professor Dr. Moltron eine wichtige Rolle.

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