Mondgeschöpfe (Phobos)
riesige Tempel und die schwebende Gestalt vor ihnen noch viel bedrückender auf die HELLTOURER.
Wieder hob die Botengestalt den Arm. Wo ihr Gesicht hätte sein sollen, bewegte sich etwas verschwommen Weißes. Sie stieß einen völlig unmenschlichen Laut aus und steuerte langsam das Innere des Tempels an.
Der alte Mann folgte ihr ohne zu zögern. Seine Wissbegier schien jede Todesangst besiegt zu haben. Die anderen HELLTOURER trotteten hinter ihm her, resigniert, lethargisch, willenlos, wie Kälber vor der Schlachtbank. Ihre Tritte schienen in unendlichen Weiten zu verhallen.
Als sie die Mitte des Tempels erreichten, die sich ihnen als säulenfreies, weites Rund öffnete, blieb die Gestalt stehen. Dumpfes Grollen und helles Kreischen drang von draußen herein. Dann sahen sich die entsetzten HELLTOURER zwölf dieser Monsterkatzen gegenüber, die den Weg als Skulpturen gesäumt hatten. Diese Katzen waren mindesten dreimal so groß wie normale Menschen. Sie bildeten einen perfekten Halbkreis.
Die schwebende Gestalt schrie etwas.
Der Alte stieß plötzlich hervor: "Ich glaube, ich verstehe sie. Es scheint sich um Ägyptisch zu handeln."
"Los, was sagt sie?", drängte Kevin.
"Die Geschichte von Sechmeths Fluch", begann der Alte zu übersetzen. Das klang anders, als was Kevin in GHOSTBUSTERS gelesen hatte. Es erklärte, warum sie so bösartig geworden war.
Während die Botengestalt weiterhin unsägliche Töne von sich gab, erschienen im Rund des Tempels die Szenen des beschriebenen Geschehens wie ein dreidimensionaler holografischer Film.
"Sechmeth hieß einst Hathor." Als geriete der alte Mann immer mehr in Trance, wurde seine Stimme immer monotoner und leiser. Er erzählte die Geschichte der wunderschönen Göttin Hathor, die Musik und Tanz liebte und das Leben überhaupt. Als ihr Vater Re einmal einer Verschwörung Seths, des Totengottes, Herr werden wollte, kam es zu einer entscheidenden Schlacht. Der Kampf wogte hin und her. Die Truppen beider Seiten waren gleich tapfer und gleich grausam. Hathor stand neben ihrem Vater auf dem Streitwagen. Ihrer beider Rüstungen strahlten wie die Mittagssonne.
Als Hathor sah, wie ein Aufrührer einen königlichen Soldaten nicht nur besiegte, sondern anschließend zerhackte und ihm mit seinen Klauen die Lungen herausriss, erwachte etwas in ihr, was sie nicht vermutet hätte. Solche Grausamkeit war nicht ungewöhnlich in dieser Art von Schlachten. Aber Hathor hatte mit dem so schrecklich ermordeten Soldaten am Abend zuvor noch getanzt. Er war so jung gewesen, so lebendig.
Eine Grausamkeit, eine Wut, eine Kraft, so bitter und hart, dass auch ihr Äußeres sich zu verändern begann. Sie nahm die Gestalt einer rasenden Löwin an. Mit solch vernichtender Wucht warf sie sich in die Reihen der Feinde, dass sich das Kampfesglück auf die Seite der Königlichen zu wenden begann. Aber die Göttin raste weiter. Als der Feind schon so gut wie geschlagen war, ihre Wut aber keineswegs abebbte, ließ Re große Töpfe mit Granatapfelwein überall auf dem Schlachtfeld aufstellen. Re wollte verhindern, dass Hathor in ihrer Blindwütigkeit die eigenen Kämpferinnen und Kämpfer anfiel. Die rasende Göttin trank jeden der Kupferkessel leer im Glauben, es handele sich um das Blut der Feinde. Nun ist Granatapfelwein süß und betäubend, und er versagte auch bei der Göttin seine Wirkung nicht. Als der letzte feindliche Kämpfer erschlagen war, schlief sie ein. An diesem Tage gab Re seiner Tochter Hathor den Namen Sechmeth.
Als sie am nächsten Morgen erwachte, mit schweren Lidern und dunklen Wolken im Gehirn, verwandelte sie sich äußerlich wieder in Hathor, die Schöne und Liebenswerte. Als man ihr von ihrer Raserei in der Schlacht berichtete, wollte sie es nicht glauben. Sie verbot allen den Namen Sechmeth auszusprechen. Sie schärfte ihnen ein: "Wenn du den Namen aussprichst, komme ich als Sechmeth, und du weißt nicht, ob als Freundin oder Feindin. Also nenne mich Hathor."
Von dem Tag an war die Drohung oder Warnung wirksam. Denn viele Menschen, insbesondere Männer, fühlten sich versucht, die grausame Göttin anzurufen, wenn sie bedroht waren, wenn sie mit dem Rücken an der Wand standen und wenn sie im Kampf nichts mehr zu verlieren hatten. Aber selbst, wenn sie das seltene Glück hatten, die Göttin als ihre Verbündete zu erleben, unbeschadet konnte keiner Zeuge ihrer Grausamkeit werden. Keine Gnade aber gab es für die Elenden, die sie als Feindin erlebten. "Nenne mich
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