Mondglanz
scheint hier ganz normal zu sein. Vielleicht können wir das bei Gelegenheit zu unserem Vorteil nutzen. Ich weiß nur noch nicht, wie gut sie auf Geschenke zu sprechen sind, die von Außenweltlern kommen. Ich werde Velith danach fragen, sobald wir das erste offizielle Geplänkel hinter uns gebracht haben.
Im Moment mache ich mir eher Sorgen, wie ich mir all die Namen und Gesichter merken soll, also flüstere ich Constance heimlich zu: »Zeichne alles auf, damit ich später weiß, wer wer ist, okay?«
»Verstanden«, erwidert sie leise.
Beruhigt kann ich mich nun wieder voll und ganz den kleinen Höflichkeiten widmen, die von mir erwartet werden.
Scharis vollführt eine kleine Verbeugung und stellt mich der erlesenen Gesellschaft vor.
Ich verstehe das als Aufforderung, verschränke die Arme vor der Brust, die Hände unter die Ellbogen geklemmt, und erwidere die Ehrenbezeugung.
Ganz sanft und unsichtbar für alle tippt mir Vel auf den Rücken. Mir fällt ein, dass ich ja auch noch die Augen senken und still bis fünf zählen muss. Damit bekundet man seine friedlichen Absichten und gebührenden Respekt vor dem Gegenüber.
»Gut gemacht«, lässt Scharis Vel erklären.
Ich zeige ein Lächeln, sorgsam darauf bedacht, meine Zähne nicht zu entblößen, weil das wiederum als Aggression aufgefasst werden könnte. Unterdessen versuche ich, mir die Namen einzuprägen: Devri Il-Waren, Mako Ib-Mithiss, Karom Il-Fex, Sartha Ib-Ulik sowie Scharis und Otlili, natürlich.
Devri ist der Größte in der Gruppe, also sollte ich ihn ohne Mühe wiedererkennen. Sein blassgrün gestreifter Chitinpanzer schillert kupferfarben. Wenn ich ihm einen Namen geben müsste, würde ich ihn den Schönling nennen.
Mako ist klein und beinahe zierlich, die seitlich am Kopf sitzenden Augen schimmern dunkel wie Onyx. Ihr Thorax hat die Farbe von Bernstein, abgesetzt mit einem dunklen Grün, was auf ihren niederen Stand hinweist. Die Arbeiter, die uns die feuchten Tücher gebracht haben, hatten die gleiche Zeichnung. Erstaunlich, dass Mako es so weit gebracht hat.
Das dritte Ratsmitglied, Karom, kann man nach ithorianischen Maßstäben getrost als korpulent bezeichnen. Er ist genauso groß wie Vel, aber mindestens eineinhalbmal so breit. Sein Panzer leuchtet dunkelblau, die Streifen darauf sind etwas heller als die gelblich braun glänzenden Augen und lassen einen hohen Rang erkennen. Es ist nicht ganz das königliche Gelb Otlilis, aber es deutet doch auf einige Macht hin. Soweit ich es an der Stellung seiner Mandibeln einschätzen kann, ist er nicht besonders begeistert von unserem Besuch. Im Geist streiche ich ihn schon mal von der Liste möglicher Verbündeter.
Bleibt nur noch Sartha, die Velith in Größe und Farbgebung sehr ähnelt. Ihr Panzer ist genauso dunkel, fast olivgrün, aber auch sie hat Streifen, die sie vom gewöhnlichen Fußvolk unterscheiden. Vel sieht richtiggehend nackt aus im Vergleich, und zum ersten Mal begreife ich, für welch schweren Weg er sich entschieden hat, als er seiner Heimatwelt den Rücken kehrte. Nach dem Dafürhalten der Ithorianer hat er nichts, aber auch gar nichts im Leben erreicht, wie die fehlenden Streifen auf seinem Thorax weithin sichtbar bekunden. Statt etwas aus sich zu machen, gibt er sich mit Menschen ab und übersetzt auch noch für sie wie ein Diener.
Ich wünschte, ich könnte das Bild, das Vels Artgenossen von ihm haben, etwas zurechtrücken, aber das dürfte mir kaum gelingen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass er sich durch seine Anwesenheit auf Ithiss-Tor nicht irgendwelchen Gefahren aussetzt, von denen ich nichts weiß.
Überrascht sehe ich, wie Sartha ihn mit einer stummen Geste grüßt. Hätte ich nicht gerade einen Crashkurs in ithorianischer Körpersprache bekommen, wäre mir nicht einmal aufgefallen, wie sie subtil den Kopf neigt und für einen Moment seinen Blick auffängt.
Ich verstehe jetzt, warum Vel mir geraten hat, etwas Ärmelloses zu tragen. Zur Abwechslung sind meine Narben hier mal von Vorteil, ein Statussymbol und kein Schönheitsmakel. Nach Ansicht der Ithorianer ist jedes Leben, das keinerlei körperliche Spuren hinterlässt, bedeutungslos und unwichtig. Wäre eine so durchschnittliche Person zu diesem Treffen erschienen, wäre das in ihren Augen einer tödlichen Beleidigung gleichgekommen.
»Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen«, übersetzt Vel Sarthas Worte.
»Willkommen auf Ithiss-Tor«, fügt Mako hinzu. »Mögen unsere Beziehungen lange
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