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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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des restlichen Essens war Gábor fast so schweigsam wie Miklos.
    Als der Abendstern schon hoch über dem Horizont stand und nur die Bierkrüge auf dem Tisch verblieben waren, erhob sich Mathias. »Gábor und Miklos, wie einst mein Vater und mein Bruder bitte ich Euch darum, in meine Dienste zu treten«, sagte er feierlich. »Seid Ihr dazu bereit?«
    Gábor nickte. »Ja.«
    »Ich auch«, bekräftigte Miklos, und seine Stimme klang rauh vor Aufregung.
    Mathias nickte Michael zu, und dieser entrollte ein Bündel, das er in seiner Satteltasche mitgebracht hatte. Er entnahm ihm zwei Umhänge aus blaugefärbtem Linnen. Die Schließen der Mäntel waren aus fein ziseliertem Silber und trugen das Wappen der Hunyadis, einen Raben mit einem Ring im Schnabel. Kostbar war der Stoff und so fein gewebt, dass er wie Wasser über die Schultern glitt. Nonnen aus einem Kloster nahe Temeschburg fertigten ihn, einem Kloster, dem die tiefgläubigen Hunyadis seit Jahren eng verbunden waren.
    Der Anblick der Mäntel ließ Gábor frösteln. Zuletzt hatte er einen solchen an dem Abend in Buda getragen, als die königlichen Schergen Laszlo Hunyadi und seine Anhänger gefangen genommen hatten. Die Erinnerung kam ihm vor wie eine Warnung. Dieses Mal würde er seinen Dienstherrn besser beschützen, schwor er sich.
    Sie gingen in die Mitte des Hofes, wo er vor Mathias niederkniete, Miklos neben ihm. Pavel von Breunen trat an Mathias’ Seite. Seine Gegenwart verlieh dem Schwur zusätzliches Gewicht.
    Mathias’ Blick war ernst und aufmerksam. Als sein verstorbener Bruder einst die geweihten Worte sprach, hatte man ihm den Text vorsagen müssen, Mathias jedoch sprach die Worte auswendig. »Gábor von Livedil«, sagte er laut und deutlich. »Schwört er, Rüstzeug anzutun, wann immer es für mich erforderlich ist?«
    »Ich schwöre.«
    »Schwört er, tapfer dem Feind ins Antlitz zu schauen und sein Leben für das meine zu geben?«
    »Ich schwöre.«
    »Schwört er, Frieden in meinem Namen zu wahren und aufrichtig in Wort und Tat zu sein?«
    »Ich schwöre.«
    Mathias nahm einen der Mäntel von Michael entgegen und legte ihn Gábor um die Schultern.
    »Diesen Mantel will ich Euch zum Geschenk machen«, sprach er. Mit geschickten Händen schloss er die Schließe an Gábors Kehle. »Die Bande unserer Freundschaft sollen Euch zu allen Zeiten Wärme und Schutz spenden.«
    Gábor nickte und antwortete: »Mit Dank empfange ich den Mantel der Freundschaft, der von Schwestern im Glauben gewoben und im Dienst an meinem neuen Herrn geweiht sein wird.«
    »Damit nehme ich Euch in meine Dienste, Gábor von Livedil«, beschloss Mathias den Eid.
    Gábor blieb auf den Knien, während auch Miklos die Zeremonie durchlief. Der junge Werwolf gab die Antworten mit feierlichem Ernst.
    Danach stießen sie mit Bier auf das Bündnis an. Mathias’ Augen glänzten vor Freude, während er sich mit seinen beiden neuen Weggefährten unterhielt.
    Es war leicht zu vergessen, dass der Graf von Temeschburg fast noch ein Knabe war. Nachdenklich musterte Gábor ihn. Er war sich der Verantwortung bewusst, die er mit seinem Schwur angenommen hatte. Und bei der Seele des verstorbenen Johann Hunyadi, er würde sich um den Jungen kümmern, als wäre er sein eigen Fleisch und Blut!
     
    Als die Zeit des Abschieds gekommen war, rollte Mathias entnervt mit den Augen. »Ich bin wahrscheinlich der bravste Gefangene, den der Hradschin bisher gesehen hat.« Er grinste schief, als er sich erhob. »Aber es würde zuviel Ärger geben, wenn ich morgen früh nicht in meiner Kammer bin.«
    »Ja, wir wollen den Haussegen lieber nicht gefährden«, kommentierte Michael zynisch. Seine Worte klangen etwas undeutlich, als schöbe er einen Stein im Mund herum, denn er hatte dem Bier mehr als die anderen zugesprochen. »Es war schwierig genug, dich für einen halben Tag aus der Stadt zu bekommen, ohne dass uns ein Tross Kriegsknechte an den Fersen klebt.«
    Seit zwei Jahren befand sich Mathias bereits als Geisel am Königshof. Die ständige Wachsamkeit einer feindlichen Umgebung schien ihn jedoch nicht zermürbt zu haben. Unverdrossen verabschiedete er sich, ehe er sich mit seinen beiden Waffenknechten auf den Weg zurück ins Prager Burgviertel Hradschin machte.
    Die vier Werwölfe blieben schweigend zurück. Über ihnen sprenkelten die Sterne den Himmel wie eine zerrissene Perlenkette. Gábor zündete eine Talglampe an, die flackernde Schatten über die Gesichter der Männer jagte. Heute Nacht würden sie

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