Mondherz
seine vernarbten, sehnigen Arme frei ließ. Ein Schwert steckte in der Scheide an seinem Gürtel, und Gábor war sich sicher, dass der Älteste in seinen schweren Stiefeln wie immer einen Dolch verborgen trug. Der Feldherr hielt unter dem Tor an, zwirbelte seinen Schnurrbart und ließ erst wachsam seine gelben Habichtaugen über das Gehöft wandern, bevor er sein Pferd auf Gábor und Miklos zutrieb.
Hinter ihm ritt Michael, groß und aufrecht. Seine seidene Tunika war vorne gefältelt, wie es derzeit bei den Männern Mode war. Gábor konnte nur ahnen, wie viele Stunden eine Magd den edlen Stoff mit heißen Eisenplatten hatte bearbeiten müssen, um ihn so herzurichten. Der kühle blaue Farbton der Kleidung spiegelte sich in Michaels Augen wider, mit denen er nur einen kurzen, interesselosen Blick um sich warf, ehe er sich vom Pferd schwang.
Gábor richtete nun all seine Aufmerksamkeit auf Mathias, der von zwei Waffenknechten eskortiert als Letzter den Hof erreichte. Gábor hatte ihn seit seiner Hochzeit mit Elisabeth Cilli nicht mehr gesehen, und er staunte, wie erwachsen der Junge seitdem geworden war. Schlank war er, doch nicht schlaksig, und trotz seiner fünfzehn Jahre fand sich nur noch wenig Kindliches in seinen Zügen. Mit seinem blonden Haar und dem ausdrucksstarken Gesicht ähnelte er auf den ersten Blick seinem Onkel Michael. Seine Augen waren jedoch braun wie die seines verstorbenen Vaters, und sein prunkloses Gewand ließ Gábor hoffen, dass der Junge vom ausschweifenden Leben am Königshof noch nicht allzu sehr verdorben war.
Ehrerbietig half er dem jungen Grafen vom Pferd und neigte den Kopf vor ihm. »Euer Durchlaucht.«
Mathias nickte ihm zu, und seine lebhaften Augen verweilten auf Gábors Gesicht. Er war sich der Bedeutung des Abends bewusst, das sah Gábor ihm an. Plötzlich schlug sein Herz leichter. Er mochte den Jungen, erkannte er. Er hatte tatsächlich den Blick seines Vaters, in dem er damals die gleiche zurückhaltende Klugheit gelesen hatte.
Mathias’ Waffenknechte erhielten den Auftrag, sich um die Pferde zu kümmern. Miklos und Gábor geleiteten währenddessen die Gäste durch den Innenhof des Gutshauses zu einem wuchtigen Holztisch, der bereits reich mit Speisen beladen war, darunter böhmische Knödel und die drei Rebhühner, die Miklos heute Morgen erjagt hatte. Ein Kastanienbaum stand in der Mitte des Hofs und spendete Schatten vor der Abendsonne, die allerdings bald hinter dem Schieferdach verschwinden würde.
Auf einfachen Holzbänken ließen sie sich nieder. Pavel, der eigentlich Herr dieses Hauses war, ließ mit einem schroffen Nicken zu, dass Gábor die Rolle des Gastgebers übernahm. So huschten die Bediensteten auf Gábors Wunsch heran. Sie brachten Steinkrüge und ein kellerkühles Fass Bier, dann ließen sie die fünf Männer allein.
»Gibt es Neues aus Prag zu berichten?«, fragte Gábor, nachdem er den ersten Rebhuhnschenkel verzehrt hatte.
»Der König kränkelt seit Tagen«, berichtete Michael zwischen zwei Bissen.
»Macht ihm die Hitze zu schaffen?«
Michael zuckte die Schultern. »Seit ich bei Hofe bin, ist er ständig krank.« Mit einer nachlässigen Handbewegung warf er einen abgenagten Knochen hinter sich, dann grinste er hämisch. »Er leidet an Husten, an Bauchschmerzen und an schlechter Laune. Mein Neffe sagt, das ist schon seit Jahren so.«
Mathias nickte. »Der König hat keine gute Gesundheit«, bestätigte er, teilte jedoch nicht Michaels Grinsen. »Dieses Mal scheint es aber schlimmer als sonst zu sein. Eigentlich wollte er die Organisation seiner Hochzeit selbst überwachen, doch gestern hat er mir diese Aufgabe übertragen.«
»So sehr vertraut er Euch?« Gábor zog die Augenbrauen hoch.
Mathias hob wortlos die Schultern und lächelte. Die Abendsonne spielte mit seinem blonden Haar.
»Ladislaus ist von Misstrauen zerfressen«, warf Michael ein. »Und nachts heult er in seinem Bett wie ein Schlosshund.«
Pavel lachte auf, es hörte sich an wie ein heiseres Bellen. Mathias lachte jedoch nicht. Gábor meinte, einen kurzen Schatten über seine Miene huschen zu sehen. Ihm schienen die geschmacklosen Scherze auf Kosten des Königs nicht recht zu sein. Welche Gedanken hegte er wohl? Neugier stieg in Gábor auf.
»Ein Dilemma bringt die Hochzeitsplanung allerdings mit sich«, sagte Mathias unvermittelt. »Vielleicht habt Ihr einen Rat für mich, Herr Gábor?«
Gábor legte sein Messer zur Seite. Er sollte also geprüft werden. Er ließ sich nicht
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