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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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stand ein Käfig mit zwei exotischen Vögeln, die gerade schliefen.
    Im Moment schenkte Mathias seiner Umgebung allerdings keine Aufmerksamkeit. Der Junge stakste mit vor Wut verkrümmtem Rücken durch den Raum und fuchtelte mit den Händen. »Wie konnte Michael das nur wagen!«, rief er. »Nicht nur, dass der sich gegen meinen Willen zum Regenten hat ernennen lassen, jetzt auch noch das!« Er schimpfte weiter und schüttelte dabei die Fäuste. Er schleuderte die Pantoffeln von den Füßen und trat gegen den Holzständer des Käfigs, so dass die Vögel darin aufwachten und kreischend mit den Flügeln schlugen.
    Gábor erkannte im Verhalten des Jungen die Wutausbrüche seines Vaters Johann Hunyadi wieder, und er wurde fast wehmütig. Er nahm sich einen Becher mit Wein, lehnte sich an die Wand und beobachtete Mathias. Es wäre gelogen gewesen, wenn er sagte, dass ihn dessen Wut nicht befriedigte. Michael verlor zunehmend die Achtung seines Neffen. Jetzt schon riskierte er dank seiner Überheblichkeit die offene Feindschaft des Hofes.
    Er dachte an heute Mittag zurück. Michael hatte ohne Rücksprache den Ablauf der Krönungszeremonie in der Basilika geändert. Statt des Erzbischofs hatte er selbst dem König das Zepter, den Inbegriff der neuen Macht, überreicht. Zwar trug Mathias nun den Titel »Dei Gratia rex Hungariae« – dank der Gnade Gottes König von Ungarn –, doch in den Augen der Anwesenden musste es so gewirkt haben, als sei er König dank der Gnade des Regenten.
    Nach einer Weile schien sich Mathias zu beruhigen. Er hielt in seinem Marsch inne und starrte aus dem Fenster in die Dunkelheit. Gábor stieß sich von der Wand ab und gesellte sich zu ihm. Trotz aller Rivalität zwischen ihm und Michael durfte er nicht vergessen, dass es hier um etwas Größeres ging. Der König war schon am Tag seiner Krönung in die Fallstricke eines Machtkampfes geraten. Er brauchte Gábors Hilfe.
    »Euer Majestät«, sagte er leise. »Ich verstehe Eure Wut. Doch wenn Ihr Euch unvorbereitet auf einen Kampf gegen Michael einlasst, könntet Ihr verlieren. Ihr braucht Zeit. Ihr müsst Eure Macht erst festigen.«
    »Doch woher soll ich die Zeit nehmen?«, der König fuhr zu ihm herum. »Michael wird mich kaum zu Atem kommen lassen. Und er kennt die Geschäfte des Hofes besser als ich.«
    »Ich habe da einen Vorschlag.« Gábor lächelte grimmig.
     
    Zwei Tage später schickte der König erstmals wieder nach seinem Regenten. Er bat ihn in seine persönlichen Gemächer, wo er bereits seit den Morgenstunden fieberhaft arbeitete. Am Tag nach seinem Wutausbruch hatte er sowohl die Vögel als auch den ganzen anderen geerbten Schnickschnack entfernen lassen. In seinem Salon standen nun statt der Polsterstühle und Blumenkörbe Truhen voller Bücher und ein großer Tisch mit einfachen Holzbänken. Den Hofschneider, der bereits vorstellig geworden war, hatte er auf später vertröstet, und genauso hatte er die meisten Aufwartungen des Adels verschoben. Stattdessen hatte er ein langes Gespräch mit dem Mann geführt, den Gábor als seinen persönlichen Sekretär ausgewählt hatte. Dieser war ein zurückhaltender, kluger Mann in mittleren Jahren, der bereits für Johann Hunyadi gearbeitet hatte.
    Mathias hatte sich all die Bücher vorlegen lassen, in denen die Finanzen des Reichs aufgezeichnet waren. Die Kämmerer standen bereit, um seine Fragen zu beantworten, und ehe Michael eintraf, hatte Mathias bereits erste Entscheidungen für sein neues Reich gefällt. Gábor blieb stets an seiner Seite. Immer wieder war er beeindruckt von Konzentrationsfähigkeit und der raschen Auffassungsgabe des jungen Königs. Er spürte dessen Aufregung, die wuchs, je näher der Zeitpunkt des Gesprächs mit Michael heranrückte. Er hütete sich jedoch, beruhigende Worte zu sprechen. Mathias schlug sich bereits besser als viele andere in seinem Amt, und es war in der Öffentlichkeit äußerst wichtig, dass seine Souveränität nicht durch noch so wohlgemeinte Fürsorglichkeit untergraben wurde.
    Als Michael Szilagyi den Raum betrat, der sich vom Salon zum Arbeitszimmer gewandelt hatte, zog er überrascht die Augenbrauen hoch. Er betrachtete all die Bediensteten, die eifrig wie Bienen umherflitzten, Akten reichten, die Kämmerer und Marschälle, die Vorschläge diskutierten, und die Schreiber, die sich zum Gesagten Notizen machten. Mitten darin saß der sechzehnjährige Herrscher, hörte zu, stellte Fragen und wägte ab, und dabei nannte er bereits die

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