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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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sitzen. Ihre Finger strichen sorgfältig über ihren blauen Rock, auch wenn ihr das Herz bis in die Kehle schlug. »
Du
wirst es Gábor erzählen«, sagte sie ruhig. »Ich gehe erst einmal zu Michael. Lebt er im Stadthaus der Hunyadis?«
    Überrumpelt nickte Miklos. »Aber du wohnst doch bei uns?«, fragte er. Dann sah er ihre Miene und verstummte.
    »Ich werde nicht in die Burg ziehen, nicht zu Gábor und nicht zum König«, sagte sie. »Du weißt warum.«
    Er senkte den Kopf, doch zuvor hatte sie die Enttäuschung in seinen Augen lesen können. Es tat in ihrem Herzen weh. Für einen Moment schwiegen sie.
    »Geh nicht zu Michael«, sagte Miklos schließlich. »Er und Gábor haben sich zerstritten. Und ich glaube, auch der König traut Michael nicht mehr, seit er sich einfach selbst zum Regenten ernannt hat. Außerdem …«
    »Eure Streitereien gehen mich nichts an.« Ihr Ton war schärfer als beabsichtigt, doch sie ließ die Worte so stehen. Sie fasste nach Solanas Hand. »Ich will nichts mehr vom Rudel oder vom Wolfsbund wissen. Ich will nur, dass Viktors Tod gerächt wird.« Solana drückte ihre Finger. »Wenn Michael mich nicht aufnimmt, werde ich bei den Roma wohnen.«
    »Er wird dich aufnehmen«, entgegnete Miklos finster. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch stattdessen biss er sich auf die Lippen.
    Veronika kam ein neuer Gedanke. »Ist Michael nun der neue Älteste?«, wollte sie wissen.
    Doch Miklos schüttelte den Kopf. »Bisher ist Viktors Kraft auf keinen aus unserem Rudel übergegangen. Manchmal dauert es eine Weile. Manchmal wird irgendwo ein Wolf zu einem neuen Ältesten. Und manchmal …« Er zögerte. »Manchmal lösen sich Rudel auch auf und die Männer schließen sich anderen Rudeln an. Vielleicht soll es dieses Mal so sein.«
    Veronika sann darüber nach. Bedeutete dies, dass aktuell weder Gábor noch Michael zu irgendeinem Rudel gehörten? Würden sie sich deshalb Pavel anschließen müssen? Ihr graute bei dem Gedanken daran. Sie mochte den Feldherrn einfach nicht.
    »Bring uns zu Michael«, bat sie Miklos.
    Er nickte nur und führte sie durch engverzweigte Seitengassen. Unterwegs kam seine gute Laune zurück, und Veronika war froh darüber.
    Schließlich standen sie vor einem stattlichen, weiß verputzten Haus mit spitzem Giebel. Aus dem Dach ragte wie ein Fremdkörper der Turm mit seinen schmalen Sichtluken hervor. Einzig sein Anblick zeigte Veronika, dass sie hier richtig waren. So lange schien es her, dass sie das erste Mal hier gewesen war. Damals hatten Elisabeths Angst und ihre eigenen Vorurteile das Gebäude riesig und düster erscheinen lassen. Heute war es nur ein Haus, eindrucksvoll genug für einen Regenten, doch nur eines von mehreren imposanten Gebäuden, die sich um einen kleinen gepflasterten Platz drängten. Der Mann am Tor erkannte Miklos, und mit verkniffenem Gesicht ließ er sie herein. Sie betraten durch die Wageneinfahrt den Hinterhof. Nach dem Lärm auf den Straßen war es hier paradiesisch still. Vor der Kapelle, die sich zwischen die Pferdeställe und den Küchentrakt schmiegte, blieben sie stehen. Veronika strich über die Tür. Dahinter war damals Elisabeth getraut worden und Pater Anton gestorben. Sie wandte sich zu ihren beiden Freunden um. Solana musterte ihre Umgebung neugierig, doch Miklos trat unruhig von einem Bein aufs andere.
    Hinter ihm sah sie einen von Michaels Werwölfen herankommen. Der Mann riss bei ihrem Anblick überrascht die Augen auf. Miklos schien die Gegenwart des anderen zu spüren, denn seine Schultern strafften sich. Er drehte sich um. Die beiden musterten sich wie zwei wachsame Hunde. Veronika spürte die Spannung in der Luft. Sie erkannte überrascht, dass sich die beiden Männer nur wegen ihr zusammenrissen. Allerdings ließen sie sich nicht aus den Augen.
    Der Werwolf führte sie in den großen Saal im Erdgeschoss. Die Holzbänke waren verstaubt, und in den Ecken lag Dreck. Hier war schon lange kein Gast mehr willkommen geheißen worden. Veronika seufzte. Laszlo Hunyadi, der zuletzt hier gewohnt hatte, war tot. Sein kleiner Bruder hatte stets in der Königsburg gewohnt, einst als Gefangener, jetzt als Herrscher. Michael würde hoffentlich rasch dafür sorgen, dass dieses Haus wieder von Leben erfüllt wurde. Sie dachte an sein freches Lachen und die Scherze, die er stets nah am Rande des guten Geschmacks riss, und ihr wurde klar, dass sie ihn vermisst hatte.
    So sprang sie voller Freude auf, als sie seine polternde Stimme hörte.

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