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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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meisten seiner neuen Würdenträger bei ihren Namen. Michael war anzusehen, dass er nicht damit gerechnet hatte, seinen Neffen bereits so beschäftigt zu sehen.
    Gábor beobachtete Michaels Irritation belustigt. Der König, der das Eintreffen seines Onkels sofort bemerkt hatte, ließ noch ein paar Atemzüge verstreichen, ehe er wie zufällig den Blick hob.
    »Eure Regentschaft, da seid Ihr ja«, rief er aus. »Gesellt Euch zu uns, ich habe Wichtiges mit Euch zu besprechen.«
    Michael verbeugte sich. Sicherlich hatte er die Förmlichkeit der Anrede bemerkt, doch seine Irritation hatte er inzwischen hinter einem spöttischen Blick verborgen. »Danke, Euer Majestät«, brummte er. »Womit kann ich Euch helfen?«
    »Eure Hilfe brauche ich natürlich auch«, sagte der König und lächelte, »doch zuerst geht es darum, Euch meinen Dank auszusprechen. Ich habe etwas für Euch vorbereitet.«
    Er überreichte ihm ein zusammengefaltetes Dokument, das bereits mit dem neuen königlichen Siegel verschlossen war.
    Michael riss ungeduldig das Siegel entzwei und öffnete die Schrift. Es war eine Schenkungsurkunde. Der König übergab ihm die Grafschaft Bistritz, die vorher der Familie Hunyadi gehört hatte. Ein breites Grinsen zog über Michaels Gesicht. »Habt Dank«, sagte er. »Womit habe ich mir das verdient?«
    »Das wisst Ihr genau.« Mathias legte den Kopf schief. »Ohne Euch säße ich nicht hier. Außerdem«, er lächelte sanft, »werdet Ihr die neuen Reichtümer bald brauchen.«
    »Wie meint Ihr das?« Michael runzelte alarmiert die Stirn.
    »Ich ernenne Euch zum Feldherrn von Ungarn«, erwiderte Mathias. »Denn wer außer Euch wäre meinem Vater und meinem Bruder ein würdiger Nachfolger?«
    Michael schien einen Augenblick zu brauchen, um die Nachricht zu verdauen. »Das freut mich wirklich sehr.«
    Der König lachte. Es war ein versonnenes, erwachsenes Lachen, das Gábor noch nie bei ihm gehört hatte. Der Junge lernte beängstigend schnell.
    »Als mein Feldherr ist es natürlich Eure Aufgabe, unser Reich vor den türkischen Feinden und Verrätern zu schützen«, sagte Mathias. Seine Miene wurde wieder ernst. »Ich nehme an, Ihr habt bereits vom Verrat des Woiwoden Vlad Drăculea gehört«, fuhr er fort. »Wir verfügen sogar über die gleiche vertrauenswürdige Quelle, nicht wahr?«
    Michael nickte zögernd. »Vorgestern Abend habe ich davon erfahren«, sagte er. »Ich wollte Euch davon erzählen, doch wie mir scheint«, er warf einen hasserfüllten Blick auf Gábor, »war jemand anders schneller als ich.«
    Der König nickte. »In der Tat.« Er hob die Augenbrauen. »Wann hattet Ihr vor, mir von diesem Verrat zu berichten?« Mathias winkte ab, als Michael zu einer Antwort ansetzte. »Wie dem auch sei, wir müssen sofort handeln. Drăculea muss vom walachischen Thron entfernt werden, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.« Er richtete sich auf. »Eure erste Aufgabe als mein Feldherr wird sein, den Verräter seines Amtes zu entheben. Zu Euren neuen Truppen in Bistritz ist bereits ein Bote unterwegs, und auch die Söldner, die mich zu meinem Schutz von Prag nach Buda begleitet haben, stehen zu Eurer Verfügung. Eure eigene Garde steht ja auf Abruf bereit?«
    Michael nickte verdattert, doch dann schüttelte er den Kopf. Sein Mund wurde schmal, und seine Augen verdunkelten sich. Gábor sah darin den Wolf aufblitzen. Wachsam legte er seine Hand an den Dolch, der in seinem Gürtel steckte.
    »Nein«, sagte Michael schroff. »Ich kann nicht abreisen.« »Wollt Ihr Euch Eurem König widersetzen?«, fragte Mathias kühl. »Ich hoffe, dass Ihr einen guten Grund habt.«
    »Den habe ich«, grollte Michael. »Wer soll das Regieren übernehmen, wenn ich weg bin?«
    Mathias lachte, als hätte Michael einen Witz gemacht. »Lasst mich überlegen. Wer könnte dieses Land regieren? Vielleicht sein König?« Er wurde wieder ernst. »Wie Ihr seht, gelingt mir das ganz gut, oder?« Der König ließ seinen Blick über die Runde gleiten, und ehrerbietig senkten seine Untergebenen die Köpfe. Dann lehnte er sich vor. »Lieber Onkel, ich weiß, wie viel Ihr vom Regieren versteht, und ich lerne gern von Euch. Gebt mir Ratschläge, und ich verspreche Euch, ich werde mich in Eurer Abwesenheit daran halten. Denn auf Euch wartet eine dringlichere Aufgabe. Wie sollen wir regieren, wenn uns Drăculea mit den Türken jederzeit in den Rücken fallen kann?« Die Leute nickten beifällig zu diesen Worten. »Ich bitte Euch, Onkel, reist morgen schon ab.

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