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Mondherz

Mondherz

Titel: Mondherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Spies
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und ungeschützt. Immerhin trug er einen Helm, der über der Stirn spitz zulief, um Schläge von oben besser abzufangen. Der metallene Schutz reichte ihm bis tief über den Nacken hinunter. Auf ein Visier hatte er verzichtet, um freie Sicht zu haben. Auch Gábor und Miklos hatten solche Helme an ihren Gürteln hängen und setzten sie nun auf. Auf Rüstungen hatten sie jedoch ebenfalls verzichtet. Die schnellen Reflexe, die feinen Sinne und die Körperkraft ihrer Wölfe boten den besten Schutz.
    »Die Gassen sind bereits verrammelt«, sagte Pavel. Seine Habichtaugen glänzten. »Wenn diese Teufel durch die Bresche strömen, müssen sie hier vorbei.«
    Gábor nickte. »Und Graf Hunyadis Feuerleger?«
    »Positionieren sich gerade auf beiden Seiten der Bresche.«
    Sie warteten. Von hier waren es nur noch wenige hundert Schritte zur Mauer. Dumpfer Kampfeslärm dröhnte zu ihnen herüber.
    Unwillkürlich verirrten sich Gábors Gedanken zu Veronika. Sie war in der Festung und hoffentlich in Sicherheit, was auch immer hier unten an der Mauer geschehen mochte. Seit er wieder in Belgrad weilte, fiel es ihm schwer, sich von der Sehnsucht nach ihr abzulenken – und mehr noch von der Furcht, sie zu verlieren. Wie absurd, dachte er, da sie doch niemals die Seine werden durfte.
    Pavel hatte ihm noch nicht mitgeteilt, ob er sie für die Auserwählte hielt, doch Gábor zweifelte nicht daran. Er hatte Pavels Miene nach dem Gespräch mit ihr gesehen; er hatte grimmig, aber durchaus zufrieden gewirkt.
    Die Jungfrau wird von zweigestaltigem Wesen sein, mit einem Willen, der selbst den Ältesten widersteht.
So lautete der erste Teil der Prophezeiung. Wie hatte Veronika das geschafft? Keiner der anderen Werwölfe war dazu fähig.
    Jemand bellte in der Ferne ein Kommando, das sich durch viele Kehlen fortsetzte: »Feuer los!«
    Alle Schützen Belgrads auf dieser Seite der Mauern erhoben sich aus ihrer Deckung und schossen gleichzeitig. Ohrenbetäubend donnerten die Kanonen, die neben den Breschen postiert worden waren. Brandgeschosse pfiffen, Pfeile und Armbrustbolzen sirrten durch die Nachtluft.
    Triumphschreie erklangen, als die Türken zu Boden gingen oder zurückstolperten, überrumpelt von der jähen Heftigkeit der Gegenwehr. Gábor schloss die Augen, um besser zu hören. Er versuchte, die Geräusche voneinander zu trennen, die so vielfältig durch die Nacht zu ihnen drangen. Und tatsächlich, da war es … Graf Hunyadis Plan wurde nun in die Tat umgesetzt.
    Den ganzen Tag hatte Hunyadi, der wusste, dass der entscheidende Angriff bevorstand, seine Kriegsknechte auf der Suche nach Brennbarem durch die Stadt geschickt. Wenn die Mauer fiel, so sein Gedanke, würde nur ein Feuer die Türken noch zurückhalten. Ein Feuer, das ihnen den Durchgang nach Belgrad verwehrte und gleichzeitig die Stadt selbst nicht in Gefahr brachte. Und so sollte der Mauergraben brennen, unterhalb der Bresche, welche die Türken schlagen würden.
    Gábor hörte, wie Hunyadis Männer das Brennmaterial in den Mauergraben schleuderten. Geteerte Holzfässer waren darunter, Stoffsäcke, in die Schwarzpulver eingenäht worden war, Strohballen, die mit Petroleum getränkt worden waren, sogar Speckschwarten hatte Gábor heute Nachmittag auf den gierigen Karren der Feuermacher verschwinden sehen.
    Ein Brausen erfüllte die Luft, erst leise, dann immer lauter, und der Himmel zuckte in einem höllischen Rot auf. Männer schrien in tausend Sprachen des Schmerzes, und der Gestank von brennenden Haaren und verbranntem Fett drang zu Gábor hinüber. Schaudernd sah er nach oben. Das Feuer musste riesig sein, das dort in der Bresche brannte, nicht anders konnte er sich das zuckende Lichterspiel am Himmel erklären. Ob Feind oder nicht, er wünschte nur, dass die Männer dort im Graben einen raschen Tod in den Flammen fanden. Die entkommenen Türken erwartete ein gnädigerer Tod durch die christlichen Klingen. Denn Hunyadis Plan sah vor, dass das Feuer erst entzündet würde, wenn viele hundert Janitscharen die Mauern überwunden hatten. Die Elitekrieger des Sultans zwischen Feind und Feuer aufzureiben, das war sein eigentliches Ziel.
    Als sich die Schreie erhoben, biss Miklos sich auf die Lippen, während Pavels Männer anerkennend durch die Zähne pfiffen.
    »Gleich werden sie wie Hasen auf uns zugerannt kommen«, rief Pavel. »Verteilt euch Männer, rasch!«
    Geschrei und Waffenlärm ertönte und wurde schnell lauter. Es waren ungarische und serbische Kampfschreie, die sie

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