Mondherz
bisher ergangen ist.«
»Gerne.« Sie entschied sich ebenfalls für ein Lächeln, denn sie konnte sich ihm kaum widersetzen. Ein letztes Mal blieb ihr Blick an Gábor hängen, seinem ebenmäßigen Gesicht, das unter der Bräune blass erschien. Er weigerte sich jedoch, ihren Blick zu erwidern, und schweren Herzens wandte sie sich ab.
Pavel bot ihr seinen Arm und sie ergriff ihn. Es hatte sie beeindruckt, wie er seine Macht bewiesen hatte, doch irgendwie hatte sie das Gefühl, dass sie diesen Mann nicht sehr mögen würde. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie wenig sie über die Wolfsseite ihrer Seele wusste. Ihre Wölfin betrachtete Pavel jedenfalls mit unterwürfigem Argwohn, und sie nahm sich vor, ihn nicht zu unterschätzen. Werwölfe mussten den Befehlen von Ältesten stets gehorchen, ob sie wollten oder nicht. Etwas in ihnen, ihr Instinkt oder eine andere uralte Kraft, zwang sie dazu, das hatte ihr Miklos erzählt.
Während Veronika mit Pavel plauderte, achtete sie sorgsam auf ihre Worte. Es war kein richtiges Verhör, doch ihr fiel auf, dass er weniger redete, als Fragen stellte – über ihren Alltag, über ihren Umgang mit den Menschen, und über Miklos, mit dem sie, wie sie zugab, die meiste Zeit verbrachte.
»Und was ist mit Gábor?«, fragte er daraufhin, während sein Blick konzentriert auf ihrem Gesicht ruhte. »Kümmert er sich gut um Euch?«
Seine Augen, so hell, dass sie gelb wirkten, fingen sie ein, bohrten sich in den tiefsten Grund ihrer Seele. Ihre Wölfin duckte sich.
Sag ihm die Wahrheit,
flüsterte sie,
einen Ältesten darfst du nicht belügen.
Sie spürte seine Kraft, spürte, wie sie ihren Willen zu lähmen drohte. Sie stemmte sich mit jeder Faser ihres Herzens dagegen.
»Ja«, sagte sie, und ihre Stimme klang so hölzern, als käme sie aus einem fremden Mund. Ihre Wölfin duckte sich tiefer und legte die Ohren an. »Er sorgt gut für mich.«
Pavels Augen verengten sich. »Ihr lügt.«
Er packte sie am Kinn und zwang sie, ihm genau ins Gesicht zu schauen. »Was verbergt Ihr vor mir?«
Seine Stimme, seine Kraft durchfuhren sie wie ein Winterwind. Es gelang ihr nicht, die Augen zu schließen, sein Blick krallte sich an ihr fest. Seine Finger an ihrem Kinn juckten und fühlten sich ekelhaft an. Ihr Widerwille gegen Pavel – gegen seine Befehle – wurde immer stärker. Trotzig sah sie ihm in die Augen. Ihre Wölfin jaulte vor Angst, doch sie schüttelte den Kopf. »Nichts«, stieß sie hervor. »Ich verberge gar nichts!«
Plötzlich las sie Erstaunen in Pavels Blick. Er wusste, dass sie log, und er konnte nichts dagegen tun. Abrupt ließ er sie los. »Seid froh, dass wir uns im Krieg befinden«, fuhr er sie an. »Sonst würdet Ihr merken, was es heißt, ungehorsam gegen einen Ältesten des Bundes zu sein.«
»Ich bin kein Mitglied des Bundes«, entfuhr es ihr.
»Treibt es nicht zu weit.« Er senkte seine Stimme, und sie glitt wie Eis über ihre Haut. Sein Blick war nachdenklich. Es lag etwas darin, das sie nicht verstand. »Ihr mögt Euren eigenen Willen haben«, sagte er. »Doch allein damit kommt Ihr nicht weit.«
»Ich bin nicht allein.« Ihre Augen funkelten. Triumph breitete sich in ihr aus. Sie hatte sich gegen Pavel durchgesetzt, einen Ältesten!
Er runzelte die Stirn. »Ihr solltet Euch nicht zu sehr an Gábor binden«, sagte er. »Das Schicksal hat ihn zwar zu Eurem Vormund gemacht, doch genauso rasch kann es ihn Euch wieder nehmen. Denkt an seine zweifelhafte Herkunft.«
Ehe sie fragen konnte, wie er diese Worte meinte, verabschiedete er sich kalt und ging von dannen.
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13 . Kapitel
Belgrad, Juli 1456
G ábor blickte von einem der Festungstürme über die östliche Ebene. Miklos stand neben ihm. Dicht um sie drängten sich Ritter und Bogenschützen. Hinter ihnen leuchtete die Sonne ein letztes Mal orangerot auf, bevor sie verschwand. Vor ihnen standen die türkischen Bataillone über den Hügeln.
»Inna fatahna laka fathan mubeenan!«,
erschallte es aus unzähligen Mündern. Gábor durchfuhr ihr Ruf wie ein Schauer. Die Sure der Eroberung. Die Pauken und Schalmeien der Janitscharen-Kapelle fielen mit ein.
»Bei allen Heiligen«, murmelte Miklos ehrfürchtig. »Was für ein Lärm!«
Doch der Sultan schien dieses Mal nicht den Fehler zu begehen, sein Heer blindwütig voranstürmen zu lassen. Er hatte einen Teil seiner Truppen am Save-Ufer zusammengezogen, wo die Türken die Kreuzfahrer aus Semlin daran hindern sollten, in die Schlacht einzugreifen. Die
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