Mondherz
Friede mit Euch«, sprach sie ihn an.
Sein Lachen war so schnell verklungen, wie es entstanden war. Aufmerksam musterte er sie. »Ihr seid also Veronika, die Auserwählte, Gábors Mündel?«
»Auserwählt nun gerade nicht«, erwiderte sie bescheiden. »Es war ein Zufall, der uns zusammenführte.«
»Ich kenne die Geschichte.« Immer noch ruhten seine Augen unverwandt auf ihr, und es war der kalte Blick eines Raubtiers, das nach einer Schwäche suchte. Der Teufel wollte es, dass sie Gábor in genau diesem Moment hinter ihm erblickte. Ihr Herz schlug ihr plötzlich bis zum Hals, und sie schluckte krampfhaft, um es wieder zur Räson zu bringen. Pavel schien sofort gemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte, doch er wusste offenbar, wen sie erblickt hatte, denn er zeigte keinerlei Überraschung, als Gábor zu ihnen trat.
»Seid gegrüßt, Frau Veronika«, sagte der kurz angebunden und nickte ihr zu. Seine dunkle Miene war ohne jedes Interesse, als könnte sie genauso gut eine Magd sein, mit der es sich nicht zu sprechen lohnte. Groll wuchs in ihr, und ihre menschliche Seite wollte ihn hassen für die Arroganz, mit der er über sie hinwegging. Die Wölfin jedoch sah die Müdigkeit, die er hinter dem harten Äußeren verbarg, wollte an seine Seite laufen und tröstend ihre Schnauze an seiner Flanke reiben.
»Gott zum Gruß, Herr Gábor«, murmelte sie in höflicher Floskelei, unfähig, ihre Gefühle so rasch zu sortieren, »ich hoffe, Euch ist es gut ergangen?«
»Er hat den Spion leider immer noch nicht erwischt«, mischte Michael sich ein. Sein Gesicht war grimmig. »Ich bin fast so weit, den Mann für ein Gespenst zu halten.«
Gábor zuckte zusammen, als hätte ihn ein Peitschenhieb getroffen. »Ein Gespenst, das zwei deiner Wachmänner getötet hat?«, presste er hervor.
Veronika erstarrte, überrascht über den Aufruhr in seiner Miene.
»Das habe ich nicht vergessen.« Michael zog die Augenbrauen hoch. »Und einige Wachleute scheinen zu glauben, dir wäre seine Flucht gar nicht so unrecht gewesen.«
Gábor wurde blass vor Wut. »Wie meinst du das?«
Wie ein Gewitter kurz vor dem Ausbruch brodelte die Aggression der beiden Männer in der Luft, und unwillkürlich zog Veronika die Schultern ein. Gewaltbereite Spannung ging acuh von den anderen Männern um sie herum aus, und ihr wurde bewusst, dass sie ausschließlich von Werwölfen umringt war. Gábor, Pavel, Michael und zwei von dessen Gefolgsleuten, insgesamt waren es fünf Männer, deren wölfisches Blut mit dem ihren Zwiesprache hielt. Regungslos standen sie da und musterten sich, Fremdkörper inmitten des Gewühls der menschlichen Kriegsknechte, die einen Bogen um die Gruppe schlugen.
»Was sagte er doch gleich? ›Alter Freund, ich habe deinen Vater gefunden‹?«, Michael verschränkte die Arme. »Das hat nicht nur deinem Ruf geschadet, sondern unnötig Aufmerksamkeit auf uns alle gezogen.«
»Mit Aufmerksamkeit hattest du doch nie ein Problem«, knurrte Gábor.
»Was heißt das, er hat deinen Vater gefunden?« Pavels Stimme war so frostig, dass sie fast klirrte. Es war keine Wut, die er ausstrahlte, sondern eine eisige Kälte.
Veronika rang nach Luft. Sie konnte spüren, wie Pavels Kraft auch den anderen Werwölfen den Atem raubte. Er war um so vieles stärker als sie alle, und seine Dominanz zwang sogar Gábor und Michael, die Blicke zu senken.
Gábor schüttelte den Kopf. »Der Spruch eines Janitscharen, der mich aus meiner Jugendzeit kennt. Er dachte, so könne er sich Erbarmen erschleichen.«
»Glaubst du ihm?«, fragte Pavel scharf, und Veronika konnte spüren, wie sein Wolf auf jedes von Gábors Worten lauerte.
Wachsam richtete sie sich auf. Was hatte Gábors türkische Herkunft mit dem entlaufenen Spion zu tun? Und warum interessierte sich Pavel überhaupt dafür?
»Nein.« Gábors Stimme war fest, und nicht der Hauch eines Zweifels schwang darin mit. »Er ist ein Spion und damit ein geborener Lügner.«
»Gut.« Pavel nickte. »Fangt ihn, bevor er noch mehr Schaden anrichten kann.« Nach diesen Worten entspannte sich sein Wolf wieder und damit auch die Stimmung der anderen Werwölfe. »Treffen wir uns nachher in der Festung«, meinte Pavel zu Michael. Seine Stimme war leise, aber bestimmt. »Jetzt möchte ich mich mit Gábors Mündel unterhalten.«
Er schenkte Veronika ein Lächeln, das die Härte in seinen Augen jedoch kaum zu mildern vermochte. »Mädchen, wollt Ihr mich über den Hof begleiten? Ich würde gerne hören, wie es Euch
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