Mondkuss
sehr gut. Ich hatte sowieso vor, dich Helena und Leonard vorzustellen. Die bisher wichtigsten Menschen in meinem Leben.“ „Sicherlich ein sehr bedeutender Moment. In vielerlei Hinsicht.“ Rafael spürte ihr leichtes Unbehagen. „Ich bin sicher, sie werden dich mögen.“ „Was, wenn sie finden, dass ich viel zu alt für dich bin?“ „Die beiden scheren sich nicht um Konventionen. Im Gegenteil. Mach dir keine Gedanken.“ „Wie lange kennst du die beiden schon?“ „Ich schlage vor, ich mache uns was zu essen, wir setzen uns, und dann beginne ich zu erzählen – einverstanden?“ „Einverstanden.“ Die nächsten Stunden vergingen wie im Flug. Marleen war hingerissen von Rafaels Kochkünsten, lauschte seinen Erzählungen und vertiefte sich interessiert in seinen Gedichtband, den er ihr mitgebracht hatte. Die Freude, die Rafael zeigte – als sie ihm berichtete, dass sie unter Umständen eine geeignete Immobilie für ihn gefunden hatte – rührte sie, bedeutete ihr mehr, als sie es für möglich gehalten hatte. Ausgelassen schmiedeten sie Pläne, und konnten es beide kaum erwarten, den Besichtigungstermin wahrzunehmen. Marleen war es, als würde mit dieser Bar ihr Traum in Erfüllung gehen. Sie ging in ihren Vorstellungen und Ideen förmlich auf und spürte, dass dieser Mann sie nicht nur unsagbar faszinierte und anmachte, sondern längst ihr Herz erobert hatte. Sie war verliebt. Himmelhoch jauchzend verliebt und hoffte, dass der Kelch des zu Tode betrübten Gegenpols im großen Bogen an ihr vorbeiwandern würde. Mit einem besonderen Glanz in den Augen ließ sie ihre Blicke immer wieder liebevoll über seine Gestalt gleiten. Sie liebte seine Mimik, seine Gestik, sein Lachen, seinen Humor. Alles. Jeder Moment mit ihm war wie ein Geschenk, eine Offenbarung, und ihr war klar, dass ein Leben ohne ihn nur noch grau und leer wäre. Sie atmete die Magie des Augenblicks, die Funken des Glücks. Es lag ein Zauber in der Luft. Angereichert mit Harmonie, Zufriedenheit und zwei Herzen, die im Gleichtakt schlugen … Fenster und Balkontür standen offen und ließen warme, weiche Luft herein. Luft, die nach einem Sommerregen roch. Frisch, ein wenig drückend, aber nicht unangenehm. Als die ersten Tropfen fielen, sprang sie auf. „Ich liebe warmen Sommerregen.“ Sie lief auf den Balkon, drehte sich um die eigene Achse, warf den Kopf in den Nacken und die Arme gen Himmel. Regungslos stand Rafael an der Balkontür und schaute ihr fasziniert zu. Was für eine Frau! Sie streckte Gesicht und Arme den herabfallenden Tropfen entgegen, die Augen geschlossen, vollkommen in sich versunken. Bewundernd glitt sein Blick über ihre Gestalt. Ihr Haar hatte sie aus dem Gesicht gestrichen, regenschwer lag es auf ihrem Rücken. An ihren langen Wimpern hingen Tropfen wie kleine Perlen. Ihr schön geschwungener Mund stand leicht offen, und gelegentlich leckte sie einen Regentropfen von ihrer Oberlippe. Der Regen lief ihr in kleinen Bächen über die geröteten Wangen und ihren Hals. Ihre geöffneten Hände fingen den Regen auf und ließen ihn dann wie ein Rinnsal von den Handflächen über die Arme in die weit auf die Schultern gerutschten Ärmel ihres Kleides laufen. Seine Augen wanderten langsam zu dem Grübchen unter ihrem Hals. Jeden Zentimeter wollte er in sich aufnehmen. Ihre durchnässte Kleidung überließ in diesem Zustand fast nichts mehr der Fantasie. Deutlich zeichneten sich ihre Brüste ab, der Regen schmiegte den Stoff wie eine zweite Haut an ihre steil nach oben ragenden Brustwarzen. Das Kleid schmiegte sich an ihre Beine, zeichnete die Konturen ihrer Schenkel nach. In Gedanken strich Rafael ihre Silhouette mit den Händen nach, jede Rundung wollte er streicheln, wie es jetzt der Regen tat Er sehnte sich danach, den Regen von ihren Lippen, ihren Brüsten, ihrer Haut zu küssen. Stundenlang hätte er ihr zuschauen können, doch so plötzlich wie der Regenguss eingesetzt hatte, hörte er auch auf. Marleen öffnete die Augen, wandte sich ihm zu, registrierte voller Freude, dass er auf sie zukam. Er zog sie an sich. Seine Hände glitten über ihren Hals, streichelten ihr nasses Haar. Umfassten ihre glühenden Wangen, während seine Daumen die Konturen ihrer Lippen nachfuhren. Sie spürte seinen Atem in ihrem regennassen Gesicht, schloss die Augen. Sanft liebkosten seine Lippen ihre Lider, die Brauen, Schläfen und ihre Mundwinkel. Sie fühlte diesen Küssen mit all ihren Sinnen nach, verfiel in einen Rausch und spürte, wie sie
Weitere Kostenlose Bücher