Mondkuss
diesen zufriedenen Gesichtsausdruck, den nur Verliebte haben.“
Rafael erwiderte nachdenklich ihren Blick. Dann entschloss er sich zur Aufrichtigkeit. „Und wenn ich es wäre?“ „Was? Verliebt?“ „Genau das.“ „Ist das dein Ernst?“ Er nickte. „Wer … ich meine … wie.“ Sie brach ab. „Eine Frau oder ein Mann? „Eine Frau. Ich bin ihr durch Zufall begegnet.“ „Wo? Ist es etwas Ernstes … ich meine, erwidert sie deine Gefühle?“ „Sarah, ich weiß, wie du zu mir stehst. Deshalb möchte ich das Thema nicht vertiefen. Mir war nur wichtig, nicht unaufrichtig zu dir zu sein, wenn du mich schon so direkt auf meine Gefühle ansprichst.“ Sarah räusperte sich. Ein Schleier hatte sich über ihre Augen gelegt, ihnen das Strahlen geraubt und sie in eine beginnende Melancholie gekleidet. Sie fühlte sich, als hätte man ihr gerade den Boden unter den Füßen weggezogen. Rafael … IHR Rafael hatte sich verliebt. Dabei wollte er sich doch nie wieder verlieben. Hatte sie selbst aus diesem Grund doch immer auf Abstand gehalten. Und nun tauchte da eine Fremde auf und stahl sein Herz. Einfach so. Sie versank in trüben Gedanken. Doch dann straffte sie die Schultern, atmete tief durch. Es gelang ihr, ein unbefangenes Lächeln aufzusetzen. „Du kannst mir ruhig von ihr erzählen. Ich habe wirklich kein Problem damit.“ Sie stieß diese Worte hastig hervor und fügte „großes Ehrenwort“, hinzu, als sie seinen zweifelnden Blick spürte. „Rafael, wir sind Freunde. Mehr nicht. Das habe ich in der letzten Zeit kapiert. Ich interessiere mich lediglich als Freund für dich. Und ich sehe doch, dass du fast platzt vor Emotionen und Gedanken.“ „So, so.“ Sie stemmte die Hände in die Hüften, warf ihm einen ungeduldigen Blick zu. „Deine Ironie kannst du dir sparen. Wenn ich sage, dass es so ist, kannst du mir glauben. Oder willst du etwa andeuten, dass ich es mit der Wahrheit nicht so genau nehme?“ „Das habe ich nicht gemeint, und das weißt du auch.“ „Okay, dann werde ich uns jetzt noch etwas zu trinken bestellen. Anschließend suchen wir uns ein gemütliches Plätzchen, und du erzählst mir, wie ihr euch kennengelernt habt.“ „Bist du dir wirklich sicher?“ „Rafael!“ Er grinste. „Ist ja schon gut. Okay, bis zu meinem Auftritt ist noch etwas Zeit.“
Kapitel Siebzehn
Marleen leerte ihre Tasse und füllte sie gleich darauf neu. Am Abend zuvor hatte sie drei Tassen Milch mit Honig getrunken, um endlich einschlafen zu können, und heute Morgen brauchte sie mehrere Tassen Kaffee, um sich wenigstens halbwegs wie ein Mensch zu fühlen. Derartige Hilfsmittel waren normalerweise nicht nötig, doch derzeit war in ihrem Kopf die Hölle los … die Gedanken rasten ohne Ende. Auch wenn ihr Körper abends sehr müde war, so war ihr Verstand doch wach. Ständig geisterte Rafael durch ihre Gedanken und brennende Sehnsucht quälte sie, wenn er nicht bei ihr war. Würde es nach ihr gehen, so wären die überflüssigen Stunden, in denen sie sich nicht sahen, schon längst abgeschafft. Aber das Leben bestand nun mal nicht nur aus Luft und Liebe, und so musste sie sich diesem Schicksal beugen. Acht Wochen waren nun seit ihrer ersten Begegnung vergangen. Wochen, die sie wie im Rausch erlebt hatte, und in denen er sie bis an die Grenzen ihrer Lust katapultierte.
Hastig trank sie ihre mittlerweile fünfte Tasse Kaffee aus, stellte die leere Tasse in die Spülmaschine. Sie hatte sich viel vorgenommen. Sie wollte sich endlich um den in den letzten Tagen stark vernachlässigten Haushalt kümmern und das Wohnzimmer streichen. In den vergangenen Tagen hatte sie sich ausschließlich darum bemüht, eine passende Immobilie für Rafael ausfindig zu machen. Und nun, wo sie fündig geworden war, wollte sie sich ihrem eigenen Reich widmen. Sie fühlte sich sehr wohl in ihrer Wohnung, die aus vier hohen Räumen mit Stuckverzierungen, einem hübschen kleinen Wintergarten und einem großzügigen Balkon bestand. In zwei Zimmern waren Kachelöfen eingemauert, die im Winter eine wohlige Wärme abgaben. Die gesamte Wohnung strahlte eine wohltuende Behaglichkeit aus. Marleen schlüpfte in ein knielanges, längst ausrangiertes Blusenkleid. Auf Unterwäsche verzichtete sie –sie war diesbezüglich auf den Geschmack gekommen, fühlte sich so herrlich frei und auch leicht verrucht. Die legere Kleidung stimmte sie tatendurstig. Fröhlich vor sich hinsummend schob sie die Möbel des Wohnzimmers in die Mitte, legte den
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