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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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sie Euch wünscht, wenn ihre Männlichkeit nur darin besteht, auf Euren Befehl hin zu töten und zu morden!«
    Alscha wurde weiß im Gesicht. Layla wandte den Blick nicht von ihr; die Fürstin sah als Erste zur Seite. »Genug ist genug«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. »Ich werde keine weiteren Beleidigungen mehr von der Tochter einer christlichen Schlampe erdulden. Muhammad, wenn du dieses Halbblut, das deine Mutter vor aller Ohren auf ungeheuerliche Weise beschämt hat, weiter bei dir belässt, dann gehe ich auf der Stelle in die Alhambra zurück und lasse mich von den Christen einsperren. Dann muss ich wenigstens nicht länger die Gesellschaft von Feiglingen erdulden!«
    Muhammad schaute von ihr zu Layla, wie auch die meisten anderen, und es war offensichtlich, dass er wieder nicht wusste, was er tun sollte. Aber Layla wusste es. Wider Willen hatte ihr Alscha zu der Entscheidung verholfen, um die sie schon seit langem rang.
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte sie gelassen, beinahe fröhlich, »obwohl es eine gute Idee wäre. Die Christen wären sicher entzückt. Aber ich werde nicht länger mit Euch reisen; ich verlasse Euch hier und ziehe allein weiter.«
    »Layla, das ist nicht notwendig«, protestierte Muhammad. »Du bist meine Schwester und mir immer willkommen.«
    Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie ihre Seele verkauft, um ihn das sagen zu hören; wie alle Wünsche, so erfüllte sich auch dieser zum falschen Zeitpunkt. Dennoch war sie ihm dafür dankbar.
    »Ich weiß«, sagte sie und lächelte ihn an. »Aber jeder Weg hat einmal ein Ende, erinnerst du dich? Und unsere trennen sich jetzt.«
    »Aber… aber du kannst gar nicht allein reiten«, widersprach der entsetzte Suleiman, »du bist ein Mädchen!«
    »Es herrscht Frieden, und zu den Vertragsbedingungen gehört doch, dass jeder Einwohner von Granada wieder frei reisen kann, wohin er will. Und ich möchte nichts anderes als das. Freiheit.«
    Wieder schaute sie zu Muhammad und in seinen Augen erkannte sie, dass er sie verstand. Er gab den Befehl, ihr den Maulesel mit ihren Habseligkeiten zuzuführen, und versprach ihr, Nada freizulassen. Diese erklärte Layla für wahnsinnig, und Layla sagte, sie ließe sie nur frei, damit kein Herr länger verpflichtet sei, sich mit ihr herumzuärgern, doch am Ende lagen sie sich in den Armen.
    Morayma hatte noch immer gerötete Augen, als Layla zu ihr kam. Sie schwieg; Layla umarmte sie und flüsterte ihr ins Ohr:
    »Es wird schon alles gut werden. Er ist ein lieber Junge, nur etwas scheu, und er ist froh, wieder bei dir zu sein.«
    Der liebe Junge weigerte sich rundheraus, sich von Layla zu verabschieden; er verschränkte die Arme und starrte sie feindselig an. »Ich hasse dich, nur damit du es weißt! Erst kommandierst du mich die ganze Zeit herum, dann fliehst du mitten in der Nacht, obwohl ich dich brauche, und jetzt verschwindest du schon wieder!«
    »Du brauchst mich nicht länger«, sagte sie leise. »Du hast Eltern, die dich brauchen. Aber abgesehen davon«, ihre Mundwinkel zuckten, »ich hasse dich auch, nur mag ich dich manchmal. Irgendwie.«

    Widerwillig antwortete er: »Ich mag dich auch. Irgendwie.«
    Und er ließ sich einen Kuss auf die Wange geben. Sie saß noch nicht lange auf ihrer Stute, da drang seine Stimme zu ihr. »Aber du besuchst uns doch einmal?«
    Layla drehte sich um und schrie zurück: »Bestimmt!«

    Zuerst ritt sie einfach in den Tag hinein, ohne bestimmte Richtung. Frei von allen Banden zu sein, von Rücksichten, sogar von Zielen, war ein berauschendes Gefühl, und sie wollte es auskosten. Dann kam ihr ein Einfall, der sie nicht mehr losließ: Wenn sie schon reisen konnte, wohin sie wollte, warum dann nicht über das Meer?
    Also ließ Layla die Berge bald hinter sich und kehrte zurück in die flussdurchzogene Vega. Als die Dämmerung nahte, kam sie in ein kleines Dorf. Es war von den Christen verwüstet worden, niemand lebte mehr dort, doch in einem der übrig gebliebenen Häuser konnte sie leicht die Nacht verbringen. Sie fand eines, das zwar innen völlig leer war, aber noch ein intaktes Dach hatte und sogar einen noch nicht völlig zerstörten Stall. In der Hoffnung, das Pferd und der Maulesel würden damit zufrieden sein, band Layla sie dort an, nahm ihnen die Sättel und Lasttaschen ab und schleppte diese in das Haus. Die kläglichen Heureste im Stall verursachten ihr ein schlechtes Gewissen, also opferte sie einige von den Äpfeln, die sie als Proviant dabeihatte,

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