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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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genau in diesem Moment ein Schwächeanfall, und sie rutschte wieder in ihr Bett zurück.
    »Selbstverständlich«, sagte Jusuf. »Das kommt davon, wenn man mit blonden Dümmlingen durch die Nacht spaziert.«
    Sie spürte, wie ihre Wangen brannten, und war noch auf der Suche nach einer passenden Entgegnung, als der Muezzin rief.
    Jusuf erhob sich und strich ihr kurz über die Stirn. »Du wirst gesund werden«, sagte er ernst. Layla versuchte, seine Hand zu fassen, doch sie griff ins Leere, und es war nur noch die Schale mit der widerlichen Medizin da, um sie daran zu erinnern, dass sie nicht geträumt hatte.

    Unter der sechsfachen Sternenkuppel des Saals der Gesandten hatten sich nicht nur die Angehörigen des Rates, sondern auch Vertreter aller Stadtteile und die noch vorhandenen Hauptleute versammelt. Muhammad sah in die ausgemergelten, erschöpften Gesichter, und sein Gedächtnis rief ihm die Zeiten zurück, in denen viele dieser Männer die Muße gehabt hatten, um über nichts Ernsteres als die Schönheit einer Rose zu philosophieren.
    Ob wir das je wieder können, fragte er sich, die Schönheit einer Rose bewundern? Ich glaube nicht.
    »Ihr wisst alle«, sagte er laut, »wie die Dinge in Granada stehen. Einige von Euch wissen es sogar viel besser als ich, denn sie leben Tür an Tür mit ihnen, den Verhungernden, den Verzweifelten. Ich habe nicht das Recht, diesen Krieg noch länger zu führen, keiner von uns hat es.«
    Er musste fast schreien, um den Tumult zu übertönen. »Deswegen habe ich mit den christlichen Königen Bedingungen ausgehandelt. Bedingungen für eine Kapitulation.«
    Mit einem Mal herrschte tödliche Stille. Muhammad entfaltete das Dokument, das er in der Hand hielt. Langsam las er vor, und mit jedem Paragraphen löste sich die Spannung im Saal etwas.

    »Für jeden einzelnen Bürger wird die Sicherheit seiner selbst, seiner Familie und seines Eigentums gewährleistet. Die Gesetze von Granada werden nicht angetastet; jeder Moslem kann nur nach diesem Gesetz verurteilt werden. Moscheen und heilige Orte bleiben weiter, was sie sind. Christen haben kein Recht, die Häuser von Moslems wider deren Willen zu betreten und sie zu irgendetwas zu zwingen. Christliche Richter haben keine Verfügungsgewalt über Moslems. Alle moslemischen Gefangenen in christlicher Hand werden freigelassen. Die Auswanderung wird jedem gestattet, der sie wünscht. Conversos, die sich zum Islam bekehrt haben oder zu ihm zurückgekehrt sind, werden nicht bestraft. Niemand, der einen Christen zu Kriegszeiten getötet hat, wird dafür verantwortlich gemacht. Moslems sind nicht verpflichtet, christlichen Soldaten Gastfreundschaft zu gewähren. Kein Moslem darf in seiner Religionsausübung behindert werden, und Christen dürfen die Moscheen nicht betreten.«

    Als Muhammad endete, spürte er das Erstaunen, das ihm entgegenschlug. In der Tat hatte er selbst kaum glauben können, dass die Christen in seine Bedingungen einwilligen würden, denn sie waren so eindeutig im Vorteil, dass es unmöglich erschien.
    Deswegen hatte er am Anfang so viel wie möglich verlangt, um sich später nicht zu tief herunterhandeln lassen zu müssen. Statt des zähen Feilschens - oder des Angriffs -, das er erwartet hatte, war indessen gestern ein christlicher Kurier unter einer weißen Flagge erschienen und hatte einen kurzen Brief von Fernando und Isabella überreicht, indem sie sich mit allem einverstanden erklärten. Muhammad hatte auf die ihm inzwischen wohl bekannte Doppelunterschrift geschaut - »Ich die Königin, Ich der König« - und sie kaum entziffern können. Die einzige Erklä rung, die ihm eingefallen war, hatte mit den Gesandten des Sultans und des Papstes zu tun, den mysteriösen Franziskanern.
    Hatte es in ihrer Botschaft an die christlichen Könige irgendein Druckmittel gegeben, das sich jetzt auswirkte?
    »Das«, sagte Abul Kasim Abd-al-Malik, der sahib-al-madinah der Stadt, ein älterer Mann, den selbst die untereinander zerstrittenen Viertel respektierten, »sind großzügige Bedingungen und ein ehrenhafter Friede, Allah weiß es. Ich gebe Euch meine Unterstützung, Sejid. Schließt Frieden mit den Christen.«
    Zustimmendes Gemurmel wurde laut. Musa ben Abi Ghassan drängte sich an seinen Nachbarn vorbei, bis er vor dem Thron stand.
    »Ich kann nicht glauben, was ich da höre«, rief er. »Großzügig?
    Ehrenhaft? Glaubt Ihr denn im Ernst, die Christen werden sich daran halten, wenn sie erst einmal hier eingezogen sind?«
    »Es

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