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Mondlaub

Titel: Mondlaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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und gab sie den Tieren. Sie selbst war nicht hungrig; dazu war sie noch immer viel zu aufgeregt.
    In den Häuserresten der Umgebung gab es genügend zerschlagene Tische und zertrümmerte Balken, um ein Feuer, das sie in der Nacht wärmte, zu nähren. Layla breitete die Taschen so nahe wie möglich an der Feuerstelle aus und versuchte, die bequemste Möglichkeit zum Schlafen zu finden. Doch irgendetwas stimmte nicht; irgendetwas fehlte noch.

    Sie war nicht überrascht, als er in den kleinen Kreis trat, den das flackernde Licht der Flammen erhellte.
    »Ich habe auf dich gewartet, Ifrit«, sagte sie. Er ließ sich ihr gegenüber nieder und hob eine Braue.
    »Ich bin sicher, dass du das getan hast, Layla.«
    »Aber ich werde nicht zulassen, dass du mich noch einmal einlullst. Ich will nicht mehr sterben.«
    »Und ich«, sagte er, und die unregelmäßigen Schatten, die das Feuer warf, zeichneten seltsame Muster auf sein Gesicht, »will dich nicht mehr töten.«
    »Warum nicht?«, fragte Layla verblüfft. »Das wolltest du doch die ganze Zeit. Abraham Seneor sagte, es ist die einzige Art, wie ein Wiedergänger zur Ruhe kommen kann.«
    »Ich denke, du weißt, warum«, erwiderte Jusuf. »Ich wollte nicht, dass es geschieht, und ich weiß nicht, wie du das geschafft hast, aber ich liebe dich.«
    »Du liebst mich nicht«, sagte sie ungläubig. »Du brauchst mich nur, wie…«, sie suchte nach einem möglichst beleidigenden Vergleich, »wie der Säufer seinen Wein.«
    Jusuf lächelte, ein dunkles, geheimnisvolles Lächeln, das sie nicht mehr losließ. »Ich bin kein Moslem, kleine Katze. Uns Juden ist es erlaubt, den Wein zu lieben.«
    Um sich nicht wieder in seinen Bann schlagen zu lassen, rückte sie nochmals an ihren Taschen, nahm ihren Haarschleier ab und breitete ihn so aus, dass er die Beutel überdeckte. Aber sie hätte damit rechnen müssen, dass Jusuf noch andere Mittel kannte.
    Seine Stimme strich über ihre Haut hinweg, umhüllte sie wie warmes Wasser.
    »Ich liebe deinen Mut, deine Streitsucht, deine Tränen. Ich liebe dich als das verlorene Kind, das du warst, und als die aufsässige Frau, die du bist. Ich liebe deine Klugheit, ich liebe deine Torheit. Ich liebe deinen Körper und ich liebe deinen Geist, der mir näher ist, als jeder andere es je war. Ich liebe dich.«

    Er lügt, dachte sie verzweifelt, er muss einfach lügen. Und gleichzeitig schrie alles in ihr danach, ihm zu glauben. Er streckte ihr die Hand entgegen, eine feingliedrige und dennoch kräftige Hand, die ihr so vertraut war, doch er berührte sie nicht. Stattdessen sprach er weiter.
    »Und weil ich dich liebe, möchte ich dich nicht sterben sehen.
    Es gibt noch eine Möglichkeit, mich wieder in das schwarze Nichts zurückzuschicken. Nun, da mein Fluch sich erfüllt hat, kannst du mich bannen, wenn du das wirklich willst. Du brauchst es nur auszusprechen.«
    Zögernd streckte Layla ihre eigene Hand aus und berührte seine Fingerspitzen, nicht mehr. Er hätte zugreifen können, sie hätte zugreifen können, doch keiner von ihnen tat es. Dieser Hauch einer Bewegung schien ihr ein Wunder zu sein, und sie flüsterte: »Ich möchte dich auch nicht sterben sehen.«
    Langsam verschränkten sich ihre Finger ineinander, und es lag mehr Zärtlichkeit darin als in allem, was vorher geschehen war.
    »Dann komm mit mir«, sagte er. »Auch das Alter, dem ihr Menschen unterworfen seid, ist ein langsamer Tod, Tag für Tag. Ich könnte dich mir gleich machen.«
    Sie zuckte zusammen, und er rückte ein wenig näher. »Wiedergänger ist nur ein Wort, Ifrit ein anderes. Wie Layla und Lucia.
    Ich weiß selbst nicht, was ich bin. Aber ich bin unsterblich - wenn du mich nicht bannst. Ich habe Reiche gesehen, die den törichten Menschen dieser Zeit verschlossen sind, Wunder und Schrecken, Magie und Wirklichkeit. Ich bin weder an Zeit noch Raum gebunden, und wenn du mir vertraust, dann wirst auch du es nicht sein.«
    Sie antwortete nicht und er seufzte. »Glaubst du immer noch, dass ich nur deine Lebenskraft von dir will?«
    »Nein«, sagte sie und rutschte selbst etwas näher zu ihm.
    »Ich… ich liebe dich auch. Vielleicht habe ich dich schon immer geliebt. Aber ich bin ein Mensch. Ich möchte meine Menschlichkeit nicht verlieren.«
    »Es ist deine Wahl.«
    Er löste seine Hand aus der ihren, sehr langsam, und legte sie an ihre Wange. »Du brauchst dich nicht sofort zu entscheiden.«
    Sein alter Spott kehrte zurück, als er aufstand und wieder mit den Schatten

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