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Mondlicht steht dir gut

Mondlicht steht dir gut

Titel: Mondlicht steht dir gut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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so viele Menschen zu früheren Zeiten dahingerafft wurden. Es gab kein Penicillin zur Behandlung der Lungenentzündung, welche entstand, wenn die Winterkälte sich heimtückisch ihren Weg in die Brustkörbe und Lungen suchte …
    Er kniete sich hin und genoß das Gefühl der weichen Erde, die ihre kühle Feuchtigkeit durch seine alten Hosen hindurch bis zu seiner Haut dringen ließ. Als er damit begann, die ergreifende Botschaft des Steins auf dünnes, fast durchsichtiges Pergament zu übertragen, mußte er an das junge Mädchen denken, das unter ihm lag, ihr Körper von dem unvergänglichen Erdboden beschützt.
    Sie hatte gerade erst ihren sechzehnten Geburtstag erlebt, rechnete er aus.
    War sie hübsch gewesen? Ja, sehr hübsch, entschied er. Sie hatte eine Fülle dunkler Locken gehabt, und saphirblaue Augen. Und sie war zartgliedrig gewesen.
    Maggie Holloways Gesicht schwebte in Gedanken vor ihm.
    Als er um halb zwei zum Friedhofseingang zurückfuhr, kam Earl an einem Fahrzeug mit New Yorker Nummernschild vorbei, das am Rand des Fahrwegs geparkt war. Das kommt mir bekannt vor, dachte er und begriff dann, daß es Maggie Holloways Volvo-Kombi war. Was machte sie denn schon wieder hier? fragte er sich. Greta Shipleys Grab lag zwar in der Nähe, aber Maggie stand Greta sicher nicht so nahe, daß sie bereits einen Tag nach der Beerdigung das Bedürfnis empfinden würde, das Grab erneut aufzusuchen.
    Während er langsamer wurde, blickte er sich um. Als er Maggie in der Ferne sah, wie sie gerade auf ihn zukam, gab er Gas. Er wollte nicht, daß sie ihn entdeckte. Eindeutig war da irgend etwas im Gange. Er mußte darüber nachdenken.
    Eine Entscheidung allerdings traf er. Da er am nächsten Tag keine Vorlesungen hatte, würde er noch einen wei teren Tag in Newport bleiben. Und ob es Liam nun gefiel oder nicht, er würde Maggie Holloway morgen besuchen.

57
    Die Hände tief in ihren Jackentaschen, entfernte sich Maggie rasch von Greta Shipleys Grab, ohne zu sehen, wo sie überhaupt hinging.
    Bis in die letzte Faser ihres Wesens fühlte sie sich verfroren und aufgewühlt. Sie hatte das Ding gefunden, so tief vergraben, daß es ihr vielleicht entgangen wäre, hätte sie nicht ihre Hand über jeden Zentimeter des Erdreichs am Fuß des Grabsteins gleiten lassen.
    Eine Glocke! Genauso wie die andere, die sie von Nualas Grab mitgenommen hatte. Wie die Glocken auf den Gräbern der übrigen Frauen. Wie die Glocken, die sich wohlsituierte Leute des Viktorianischen Zeitalters aufs Grab stellen ließen, falls man sie begrub, obwohl sie noch lebten.
    Wer nur war seit der Beerdigung wieder hierhergekommen und hatte diesen Gegenstand auf Mrs. Shipleys Grab gelegt? fragte sie sich. Und warum?
    Liam hatte ihr erzählt, sein Vetter Earl habe zwölf dieser Glocken gießen lassen, um seine Vorträge anschaulich zu machen. Er hatte ebenfalls angedeutet, Earl genieße offenbar die Erinnerung daran, daß er die Frauen im Latham Manor mit dem Austeilen der Glocken während seines Vortrags dort erschreckt hatte.
    Entsprach dies etwa Earls Vorstellung von einem bizarren Scherz, überlegte Maggie, diese Glocken auf die Gräber ehemaliger Bewohnerinnen des Latham Manor zu plazieren?
    Ist gut möglich, dachte sie, als sie bei ihrem Wagen ankam. Es könnte eine verschrobene Art sein, sich dafür zu rächen, daß Mrs. Bainbridges Tochter ihn in aller Öffentlichkeit kritisiert hatte. Liam zufolge hatte Sarah die Glocken eingesammelt und sie Earl vor die Füße geknallt und ihn danach praktisch aus dem Haus geworfen.
    Rache war eine logische, wenn auch abstoßende Erklärung. Ich bin froh, daß ich die von Nualas Grab mitgenommen habe, dachte Maggie. Ich habe Lust, zurückzugehen und die übrigen ebenfalls einzusammeln – besonders die von Mrs. Shipleys Grabstätte.
    Sie entschied sich jedoch dagegen, vorläufig zumindest. Sie wollte erst sicher sein, daß es sich dabei wirklich nur um einen kindischen und widerwärtigen Racheakt Earls handelte. Später gehe ich dann wieder hin, beschloß sie. Außerdem muß ich machen, daß ich nach Hause komme. Neil hat gesagt, er würde um zwei dasein.
    Als sie sich ihrem Haus näherte, bemerkte sie, daß zwei Fahrzeuge davor geparkt waren. Beim Einbiegen in die Einfahrt sah sie Neil und seinen Vater auf den Verandastufen sitzen, mit einem Werkzeugkasten zwischen sich.
    Mr. Stephens wischte ihre Entschuldigung beiseite. »Sie sind gar nicht spät dran. Es ist erst eine Minute vor zwei. Falls mein Sohn sich nicht

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