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Mondmilchgubel Kriminalroman

Titel: Mondmilchgubel Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Bodenmann
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übrigens exzellente Wächter. Durch ihr Schnattern warnen sie ihre Artgenossen vor Eindringlingen. Wenn es ihnen langweilig wird, heben sie ab und düsen durch die Luft. Da schau!«, ruft er aufgeregt und zeigt in den Himmel, wo tatsächlich ein Entenpaar mit ausgestreckten Hälsen vorbeifliegt.
    Ob Möller wohl auch Vögel beobachtet?
    »Enten sind nicht nur geschickte Schwimmer und Taucher, sondern auch ausgezeichnete Flieger. Auf dem Festland sind sie dagegen weit weniger anmutig«, fährt ihr Vater fort.
    »Wo sind deine Schwäne?«
    »Ich glaube, ich habe sie heute noch nicht gesehen.« Die Schwäne sind sein Lieblingsthema. Er freut sich, wenn er sie lautlos über den Teich gleiten sieht. »Hab ich dir schon erzählt, dass für die Kelten und Germanen der Schwan die Seele und deren unsterblichen Kern versinnbildlichte?«
    »Das letzte Mal hast du mir erzählt, dass die Schwanenpaare ihre Nester gemeinsam bauen und sich die Pflege und Aufzucht der Küken teilen. Auch dass sie sich meistens wieder trennen, wenn die Jungen das Nest verlassen.«
    »So ist es. Die Germanen nannten die Schwanenfrauen Wolkengeister.« Er verstummt, klopft mit seinem Stock auf den Boden. Das Sprechen hat ihn angestrengt. Sein Atem geht schwer. »Stell dir vor, vorgestern habe ich den einen Schwan zum ersten Mal singen gehört.«
    »Singen?«
    »Ja, er hat sich aufgerichtet, mit seinen Flügeln geschlagen und kehlige Rufe ausgestoßen.«
    »Wird nicht behauptet, dass ein Schwan nur singt, wenn er sterben muss?«
    »Ja, der Überlieferung zufolge ist sein Gesang Vorbote des Todes. Das letzte Werk eines Künstlers wird deshalb als Schwanengesang bezeichnet.«
    Ihr Herz stockt. »Vielleicht wollte er damit bloß seiner Freundin imponieren?« Sie folgt dem Blick ihres Vaters, der in den Himmel weist.
    »Was weiß ich, ich bin nur ein törichter, alter Mann.« Klopf, klopf, klopf. »Jedes Mal, wenn ich die Schwäne beobachte, träume ich von früher.«
    »Vielleicht sind Schwäne so etwas wie eine Brücke zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart?«
    Er zuckt mit den Schultern.
    »Schau, ich habe dir vom Oberholz etwas mitgebracht.« Sie überreicht ihm ein Paar geräucherte Würste. »Die magst du doch?«
    Er wehrt mit den Händen ab. »Mach bitte nicht so ein Gesicht. Du solltest inzwischen wissen, dass ein alter Mann nur von Luft lebt. Und noch etwas, Vicki, verbeiße dich nicht in diese unselige Geschichte. Ich habe dich schon lange nicht mehr so nervös und unausgeglichen erlebt.«
    »Mach dir keine Sorgen.« Sie weiß, dass es kläglich klingt. Sie weiß auch, dass sie ihrem Vater nichts vormachen kann.
    »Du bist stur wie deine Mutter selig. Wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte sie niemand davon abbringen.« Sein Gesicht nimmt einen verklärten Ausdruck an. »Sie war eine temperamentvolle Frau, deine Mutter. Es ist mir bis zum Schluss nicht gelungen, sie zu zähmen.«
    »Vater, hast du dir das mit dem Umzug nach Wald nochmals überlegt?«
    »Ich bleibe, wo ich bin, sonst muss ich noch damit rechnen, dass du mich jeden Tag besuchen kommst.« Seine heisere Stimme wird sanft. »Weißt du, mein Kind, ich spüre, dass meine Zeit bald zu Ende geht, und ob du es mir glaubst oder nicht, ich bin nicht traurig darüber. Es ärgert mich, dass sie mich nicht gehen lassen. Ich bin für alles zu müde. Sogar das Essen ist mir verleidet.«
    »Das ist mir zu Ohren gekommen.«
    »Hat die Pflegerin getratscht?«
    »Ja.«
    »Die mit dem flammenroten Haar?«
    »Ja, ich glaube, sie mag dich.«
    Er verdreht die Augen. Klopf, klopf, klopf.
    »Sie meint es ja nur gut mit dir.«
    »Ich mag es nicht, wenn man mich bemuttert. Deine Mutter hat das am Anfang auch versucht.« Seine Augen blitzen spitzbübisch auf. »Frauen sollen ihren Männern Geliebte und Gefährtin sein, aber auf keinen Fall Mutter.«
    »Und wie bitte soll sich eine Tochter ihrem Vater gegenüber verhalten?«
    »Eine typisch langweilige Frage, aber ich will sie dir gern beantworten. Eine Tochter soll sich nie über ihren Vater erheben, auch wenn er langsam verblödet.«
    »Ich habe mich nie in deine Entscheidungen eingemischt«, erwidert sie beleidigt.
    Er tätschelt ihre Hand. »Weißt du, ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt. Ich hatte eine interessante Arbeit und eine liebe Familie. Beides hat mich erfüllt und ausgefüllt. Zum Großvater hat es nicht gereicht, aber es gibt ohnehin viel zu viele Menschen auf dieser Erde. Doch seit dem Tod deiner Mutter fühle ich

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