Mondnacht - Mordnacht
nur schlafen, und ich werde dir dazu ein Lied summen. Ist das gut so?«
Wieder lächelte das Baby. Meine Stimme scheint ihm zu gefallen, dachte Dinah, während sie das Kinderlied summte, das sie noch aus ihren ersten Lebensjahren kannte.
Dinah Hutton war so mit ihrer Aufgabe beschäftigt, daß sie die Umgebung vergaß.
Und auch die nahe Vergangenheit rückte immer weiter in den Hintergrund. Erst als ihr selbst kalt wurde und die Körperwärme wohl nicht mehr ausreichte, um das Kind zu wärmen, holte sie aus dem Rucksack einen Pullover. In ihn wickelte sie das Findelkind zusätzlich ein.
»So, jetzt kann dir nicht mehr viel passieren«, flüsterte Dinah. »Ich werde auf dich achtgeben, mein Schatz.«
Sie stand auf. Es war mehr ein zufälliger Blick, den sie dem Himmel entgegenwarf.
Die Wolken hatten sich verzogen, und die Frau sah den vollen Mond wie ein kaltes Auge in die Tiefe schauen.
Sie wußte selbst nicht, weshalb sie beim Anblick des Erdtrabanten erschauderte. Er hatte ihr nichts getan, und sie hatte sich eigentlich nie vor ihm gefürchtet.
Das war jetzt anders geworden.
Kälte kroch über ihren Rücken, und sie drückte das Findelkind enger an sich.
Weshalb das Kleine plötzlich anfing zu weinen, wußte sie nicht.
Allerdings erschrak sie, denn dieses Weinen war ein anderes als noch beim erstenmal.
Nein, das war kein richtiges Weinen, und sie hatte sich auch nicht verhört.
Was aus dem Mund des Kindes drang, hörte sich an wie ein Heulen.
Zudem hatte es den Kopf so gedreht, als wollte es zum Himmel schauen. Dinah folgte dem Blick.
Sie sah den Mond. Diesen kalten Erdtrabanten, um den sich so viele Geschichten rankten.
Aber sie sah noch mehr. Aus irgendeinem Wolkenfeld schob sich ein Schatten hervor. Ein dunkler Gegenstand, der auch in die Nähe des Mondes geriet und seinen Weg fortsetzte, so daß er einen Teil der Scheibe einnahm.
Das kalte Licht war die perfekte Hintergrundbeleuchtung für den Schatten.
Deshalb erkannte ihn Dinah auch so deutlich.
Es war der dunkle Umriß eine Wolfes…
***
Am anderen Tag!
Dinah war von ihrem Dorf weit weg. Sie hatte es tatsächlich geschafft, den ersten Bus zu bekommen, und an der Haltestelle hatte sich auch niemand aus dem Ort aufgehalten, um sie wieder zurückzuholen. So war sie dann in den Bus gestiegen. Ihren Platz hatte sie auf der letzten Bank gefunden. Den Rucksack hatte sie auf den Sitz gelegt und in dessen Deckung das Findelkind.
Sie war todmüde. Die Natur forderte ihr Recht. Bis sie das Ziel erreicht hatte, die Nähe von London, würde noch viel Zeit verstreichen.
Mindestens drei Stunden.
Bevor sie allerdings die Augen schloß, schaute sie nach, was an ihrer Seite lag. Junge oder Mädchen?
Die spannende Frage löste sich bald, denn sie erkannte, daß es ein Mädchen war.
Dinah lächelte, denn irgendwie beruhigte sie dies auch.
Bei einem Jungen hätte sie sofort an ihren Mann gedacht, und den brutalen Kerl wollte sie vergessen.
Ein Mädchen, dachte sie. Es braucht einen Namen. Ich kann es nicht namenlos herumlaufen lassen.
Dinah wollte sich einen schönen Namen aussuchen, doch sie war zu müde und schlief ein. Es gelang ihr gerade noch, das Kind wieder einzuwickeln.
Es war ein langer, ein gesunder und auch ein erholsamer Schlaf, aus dem sie allerdings durch den Wirrwarr der Stimmen herausgerissen wurde.
Dinah Hutton schreckte hoch. Sie stieß sogar einen leisen Schrei aus, spürte das Schaukeln des Fahrzeugs und wußte im ersten Augenblick nicht, wo sie sich befand.
Wegen dieser Situation schoß Panik in ihr hoch, sie verkrampfte sich auch, weil sie wieder an Arnos dachte und sein verzerrtes Gesicht vor sich sah.
Es löste sich auf und schuf einem anderen Platz. Dem Gesicht einer älteren Frau, die mit freundlicher Stimme fragte, ob der Platz neben Dinah noch frei sei.
»Natürlich«, antwortete sie automatisch und rieb dabei ihre Augen, die doch brannten.
Die Frau nahm Platz, stellte eine große Tasche vor ihre Füße und knöpfte den Mantel auf. Ein Stöhnen drang aus ihrem Mund, als sie Dinah das Gesicht zudrehte. »Endlich sitzen. Sie glauben gar nicht, wie gut das tut.«
»Doch, das weiß ich. Mir ist es ähnlich ergangen.«
»Und das Kind gehört zu Ihnen?«
Dinah durchzuckte ein Blitzstrahl. Die Frau hatte sie wieder an das Baby erinnert. Sie selbst hatte kaum daran gedacht, und plötzlich wurde es ihr kalt.
»Ist ja niedlich. Was ist es denn? Mädchen oder Junge?«
»Mädchen«, gab Dinah tonlos zurück.
»Und wie
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