Mondnacht - Mordnacht
Frau verschwand. Er wollte auf jeden Fall die Verfolgung aufnehmen.
Deshalb mußte sie sich beeilen und einen möglichst großen Vorsprung erreichen.
Die Schreierei hatte sogar einige Hunde geweckt. Ihr scharfes Bellen zerstörte die Stille, aber das alles machte der flüchtenden Frau nichts aus. Sie hatte es endlich geschafft, ihren Mann zu verlassen. Das war der Tag überhaupt in ihrem Leben.
Dinah hätte auch die normale Dorfstraße nehmen können. Das war ihr jedoch zu riskant. Sie wollte sich an die versteckten Wege halten, eintauchen in die Gassen, durch die dunklen Stellen eilen, die von keinem Laternenschein getroffen wurden. Und sie würde auch nicht zur Durchgangsstraße hinlaufen, sondern in die entgegengesetzte Richtung flüchten, hinein in die Einsamkeit der Natur, wo auch der kleine Bach herfloß und es einen Übergang gab, der mehr ein Steg als eine Brücke war.
Die Frau lief schnell. Das kostete Kondition. Sie spürte jetzt auch den Druck des Gepäcks auf dem Rücken immer mehr. Da schien sich ihre Kleidung in Blei verwandelt zu haben.
Dennoch legte sie keine Pause ein, auch wenn ihre Beine schwerer wurden. Von irgendwelchen Geräuschen oder Verfolgern war nichts mehr zu hören. Sie blieben zurück. Sie hatten eingesehen, daß sie es nicht schaffen konnten. Aber auch Dinah spürte immer mehr, wie ihre Kräfte nachließen. Weit konnte sie nicht mehr laufen, sie mußte einfach eine Pause einlegen.
Die Dunkelheit deckte vieles zu, so daß ihr die Umgebung vorkam wie eine gleichmäßig finstere Landschaft, in der es nichts Helles gab.
Aber sie hörte das Plätschern des Wassers und wußte jetzt, daß der Bach sehr nah war. Der Boden hatte sich noch mit der Feuchtigkeit des letzten Regens vollgesaugt, dementsprechend weich war er. Die Schritte der Frau wurden immer schwerer, und manchmal schleifte sie auch nur über den Boden hinweg.
Sie blieb stehen. Keuchte. Beugte sich nach vorn. Schlug die Handflächen gegen die Oberschenkel und kämpfte gegen die Übelkeit an, die ihre Erschöpfung hinterlassen hatte. Zudem zitterte sie am gesamten Körper. Noch einige Schritte bewegte sich Dinah schwerfällig nach vorn, dann mußte sie sich einfach zu Boden sinken lassen. Sie hatte nicht bemerkt, wie nahe sie bereits der Böschung des Bachbetts gekommen war. Mit dem Absatz des rechten Turnschuhs berührte sie bereits die Kante, glitt darüber hinweg, schrie vor Schreck auf und fiel auf ihr Gesäß. Darauf rutschte sie über die feuchte Böschung hinweg, aber sie konnte sich trotz des Gewichts auf dem Rücken halten und glitt nicht in das kalte Wasser hinein.
In der Mitte der Böschung kam sie zur Ruhe, und der heftige Herzschlag beruhigte sich wieder.
Geschafft.
Eine Pause einlegen. Danach weiterlaufen, bis sie eine Bushaltestelle erreichte, um wegfahren zu können. Geld hatte sie mitgenommen. Es war nicht viel, aber sie würde damit für einige Zeit über die Runden kommen.
Sehr langsam ließ sich Dinah Hutton nach hinten sinken. Der prall gefüllte Rucksack wirkte wie ein großes Kissen und dämpfte den Aufprall. Ihre Hacken konnte sie in eine kleine Rille stemmen, so war ihre Lage sogar einigermaßen bequem.
Wie es weitergehen würde, wußte sie noch nicht. Irgend etwas würde sich finden lassen. In einer Zeitung hatte sie von Frauenhäusern gelesen, in denen man sich verstecken konnte, wenn der Horror zu Hause einfach zu stark geworden war. An ein derartiges Haus hatte Dinah auch gedacht. Sie würde dort bleiben und sich nützlich machen.
Dann konnte ihr alles andere gestohlen bleiben.
Es tat gut, in dieser nächtlichen Stille zu bleiben und die Ruhe zu genießen. Das Plätschern des Bachs störte sie nicht, es gehörte einfach dazu. Hin und wieder hörte sie sogar ein leises Fiepen. Es ließ darauf schließen, daß Mäuse in ihrer Nähe unterwegs waren.
Eine halbe Stunde wollte sie sich gönnen, um den Weg dann fortzusetzen. Auch nicht mehr so panikhaft, sondern viel überlegter. Die große Angst war weg, auch die vor ihrem gewalttätigen Mann.
Wahrscheinlich würde er trotz seines Zustands durch das Dorf irren und randalieren. Da würden ihm die Nachbarn schon die entsprechenden Widerstände entgegensetzen. Sie stellte sich vor, daß er es zu weit trieb und dann zusammengeschlagen wurde.
»Ich gönne es dir, du brutales Schwein!« flüsterte sie. »Ich gönne es dir von ganzem Herzen.«
Dann hörte sie das Weinen!
***
Zunächst tat die Frau nichts. Mit diesem Geräusch hatte sie nicht
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