Mondnacht - Mordnacht
ungewöhnlich. Daß eine magische Macht stärker sein sollte als mein Kreuz, wollte mir einfach nicht in den Sinn. Aber sie war es, denn kaum stand die Bestie auf ihren Füßen, da ging sie schon los.
Sie hatte ein Ziel.
Es war der Rand der kleinen Lichtung, aber auch der dichte Wald, denn dort wartete Fenris auf sie…
***
»Das gibt es doch nicht!« flüsterte Suko. »Verdammt, das ist nicht möglich, John…«
Ich mußte einfach lachen. Suko hatte recht. Es war normalerweise nicht möglich, aber die Tatsachen sprachen dagegen. Simone Hutton hatte in ihrer Gestalt als Werwölfin die Bannkraft meines Kreuzes überwunden, und das wollte mir nicht in den Kopf.
»Willst du sie gehen lassen?«
Ich hob die Schultern.
»John, ich habe den Stab. Ich kann sie bannen…«
»Nein, laß.«
»Aber Fenris wird sie holen!«
Dieser letzte Satz riß mich ebenfalls aus meiner Erstarrung und machte mir Beine.
Nein, um alles in der Welt nicht! Wir konnten nicht zulassen, daß eine nach Menschen gierende und mordlüsterne Bestie durch die Gegend lief, um den Tod zu bringen.
Deshalb lief ich ihr nach.
Und diesmal ging ich schneller. Ich wollte sie noch erreichen, bevor sie über den Rand der Lichtung trat.
Und ich schaffte es, weil ich schneller war.
Die Bestie drehte sich nicht um. Hätte sie es getan, so hätte sie meine hocherhobenen Arme sehen können. Die Hände hielten die schmale Kette fest, und zwar so, daß ich sie über den Kopf streifen konnte.
Sie sah es nicht. Sie dachte nur an den Götterwolf, der sie zu sich heranlockte.
Ich blieb zugleich hinter und neben ihr. Die beste Position, um der Wölfin die Kette über den Kopf zu streifen.
Es geschah glatt, als hätte ich alles schon oft geübt. Das Kreuz hing plötzlich vor ihrer Brust. Jetzt kam es darauf an, welche Kraft stärker war.
Die des Götterwolfs oder die meines Talismans…?
***
Die Werwölfin ging nicht mehr weiter. Sie blieb so abrupt stehen, als wäre sie durch ein Hindernis gestoppt worden. Ihr Körper versteifte sich, er sah so aus, als wollte er sich zurückziehen, und bei ihrem Halt drückte sie den Rücken durch, so daß er eine gerade Linie bildete. Ich war hinter ihr geblieben und konnte die dünne Kette nicht mehr sehen, weil sie im dichten Fell verschwunden war.
Aber ich sah die Reaktion!
Und die kam uns entgegen.
Plötzlich streckte sich der Körper noch mehr. Gleichzeitig verließ ein mörderisches Brüllen das weit geöffnete Maul der Bestie. Und mit diesem Brüllen zusammen strahlte auch die silbrige und sehr helle Aura auf, die den gesamten Körper umgab wie ein zittriges, in sich selbst blitzendes Tuch.
Die Wölfin stand im Licht, die Arme vom Körper gespreizt. Das Licht hatte die Schatten vertrieben, und ich wußte schon jetzt, daß wir gewonnen hatten, obwohl die Bestie es noch schaffte, sich auf der Stelle zu drehen und dem Rand der Lichtung jetzt den Rücken zudrehte.
Ich schaute sie an. Keinen Schritt war ich zurückgewichen.
Normalerweise hängt das Kreuz vor meiner Brust, um mich zu schützen.
Hier war es anders. Es hatte seinen Platz gewechselt, und es schützte auch nicht mehr, sondern zerstörte.
Ich schaute zu. Suko war herangetreten. Er hielt die zitternde Sissy an der Hand. Diese junge Frau würde diesen Horror wohl nie in ihrem Leben vergessen.
Simone schüttelte sich. Das Licht, dessen Quelle einzig und allein mein Kreuz war, breitete sich innerhalb kürzester Zeit aus und erfaßte den gesamten Körper. Es brannte sich nicht nur hinein, es verbrannte auch das verdammte Fell der Bestie, das als grauer Aschenregen zu Boden wehte.
Auch der Kopf wurde nicht verschont. Hier rieselte das Fell ebenfalls als Asche zu Boden, und auch die gesamte Gestalt veränderte sich. Sie verlor das Aussehen des Wolfes. Als hätte man eine Decke weggezogen, trat der menschliche Körper wieder hervor. Der Körper einer Frau, fast nackt, mit heller Haut, aber auch mit Kugellöchern garniert, aus denen etwas Blut gesickert war. Tot, sie war tot.
Nichts an ihr wies mehr auf einen lebenden Menschen hin. Die Fratze des Werwolfs war ebenfalls nicht mehr vorhanden. Ich sah wieder das Gesicht, das ich kannte. Nur war es ein Gesicht ohne Leben, mit leeren, toten Augen. Simone stand vor mir. Dann brach sie zusammen.
Ich fing sie auf. Das mußte ich einfach tun. Sie lag für einen Moment auf meinem Arm, bevor ich sie behutsam auf das weiche Gras bettete.
Hinter mir hörte ich Sissy weinen und Sukos Kommentar: »John, Fenris hat
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