Mondpapier und Silberschwert (Die Sumpfloch-Saga) (German Edition)
nett sein“, entgegnete Ritter Gangwolf, „sonst gäbe es dich überhaupt nicht.“
„Du bist nett, wenn du Lust dazu hast. Das ist das Problem!“
Ritter Gangwolf erlaubte sich eine kleine Grimasse und nickte beschwichtigend.
„Schon gut, Sohn. Jedenfalls bist du jetzt wieder an der Reihe und ich bin frei!“
Man merkte es dem gut aussehenden Ritter an, wie sehr ihn die Zeit der Unfreiheit belastet hatte. Den leidigen Pflichten entronnen, platzte er jetzt vor Tatendrang und rieb sich vorfreudig die Hände.
„Na, Viego, altes Haus? Kommst du mit nach Moos Eisli? Wir könnten erst mal ein Fass Schwarzen Tox aufmachen und dann …“
„Nein“, fiel Viego seinem Freund ins Wort, „leider nein. Hier tut sich einiges, das mir nicht gefällt.“
Der Halbvampir machte eine Pause und ein unheilvolles Gesicht.
„Was genau tut sich?“, fragte Gerald. „Jetzt sag schon!“
„Grohann kommt heute zurück“, verriet Viego. „Ich weiß nicht, welche Neuigkeiten er für uns hat, aber nach allem, was ich aus Estephaga und Perpetulja herausbringen konnte, steht Sumpfloch kurz vor der Schließung.“
Alle starrten Viego Vandalez an, sprachlos und irgendwie abwartend, in der Hoffnung, dass noch etwas kam. Ein Wenn oder ein Aber oder irgendwas, das die schlechte Nachricht aufhob und sie beruhigte. Sumpfloch konnte doch nicht ernsthaft geschlossen werden!
„Ich wollte euch damit nicht belasten“, erklärte der Halbvampir, „doch ich weiß es schon seit einigen Tagen. Die Regierung macht sich große Sorgen um die Sicherheit der Schüler. Offiziell. Worum sie sich eigentlich Sorgen machen, können wir uns denken. Sie fürchten, dass der Gefangene im unterirdischen Verlies bei laufendem Schulbetrieb nicht zuverlässig bewacht werden kann und dass die Erdenkinder, die sie unter ihrer Kontrolle haben möchten, noch einmal entführt werden könnten.“
Auf diese Auskunft hin herrschte erst mal Schweigen. Einzelne Schneeflocken fielen ganz langsam vom Himmel, der am heutigen Tag grau war. Der traurige, verkohlte Stumpf des Phönixbaums ragte über ihren Köpfen ins stille Nichts und sah aus, als bliebe er für immer verbrannt und tot.
Mit Gerald und Ritter Gangwolf standen hier zwei der begehrten Erdenkinder, doch dieses Geheimnis war kaum jemandem bekannt. Über Thuna, Maria und Lisandra, die drei anderen Erdenkinder, wusste die Regierung mittlerweile Bescheid – die Regierung von Amuylett und mit ihr wahrscheinlich jede andere maßgebliche Macht in dieser Welt.
Die Sorge der Regierung war leider mehr als berechtigt: An einer öffentlichen Schule mit vielen Kindern und zahlreichen Angestellten konnte ein Feind leicht untertauchen und Entführungspläne schmieden. Schon einmal war es einer bösen Cruda gelungen, zwei der Erdenkinder zu verschleppen. Wer konnte garantieren, dass so etwas nicht noch einmal geschah? Im letzten Schuljahr hatte die Regierung einen ihrer fähigsten Zauberer geschickt, Grohann, den Steinbockmann. Doch wie sollte der allein für die Sicherheit aller Erdenkinder sorgen und den Gefangenen am Ausbruch hindern? Auch Grohann hatte nur zwei Hände.
„Was wollen sie denn sonst machen?“, fragte Ritter Gangwolf. „Alle Erdenkinder einsperren? Sumpfloch leer stehen lassen, den bösen Wald abschlagen und eine Bannmeile rund um das Gebäude einrichten?“
„Tja, mein Lieber“, sagte Viego Vandalez, „du weißt, dass das genau die Maßnahmen sind, über die sie nachdenken werden.“
Ritter Gangwolf sah erschüttert aus.
„Wenn sie das versuchen, war alles umsonst! Amuylett wird sterben und sie werden uns zwingen, eine neue Welt zu besiedeln. Ohne zu wissen, wie und wann und wo das möglich sein soll! So wie bei Geraldine. Wir werden alle draufgehen, wenn es so kommt!“
„Wir sind nicht die Einzigen, die so denken“, wandte Viego ein. „Selbst in der Regierung gibt es Leute, die wissen, dass es nicht klappen wird, wenn sie ihre Pläne mit Gewalt durchsetzen wollen. Wenn ich es richtig verstanden habe, bekommt Sumpfloch noch eine Galgenfrist. Ich weiß nicht, unter welchen Bedingungen, aber ich ahne, dass es keine schönen Bedingungen sein werden. Sie werden die Schule nicht heute und nicht morgen schließen. Vielleicht aber im Frühling oder zum Ende des Schuljahres.“
Das waren bedrückende Neuigkeiten. Noch am Morgen hatte Scarlett gedacht, das Schlimmste, was ihr heute bevorstand, sei der Abschied von Gerald auf unbestimmte Zeit. Jetzt erkannte sie, dass dieser Abschied nur ein
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