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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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säuselte ich zuckersüß. «Ich höre in diesem Haus auch a-l-l-e-s. Bloß von Ihnen und Ihrem Mann höre ich nichts. G-a-r n-i-c-h-t-s. Schönen Tag noch.»
    Da war die aber platt, die alte Zicke. Ha!
     
    Aber an besagtem, schicksalhaftem Tag war ich nicht gut gelaunt, hatte die Nacht nicht mit einem grölenden Beischläfer verbracht, und auf dem Kopf sah ich so aus,wie ich mir Tina Turner vorstelle, wenn sie über Nacht von Albträumen heimgesucht wurde.
    «Sie sollten sich wirklich mal einen Schlüssel nachmachen lassen», sagte Frau Zappka.
    Sie kam offensichtlich vom Einkaufen und zog eine rollende Einkaufstasche hinter sich her. Um sich vor dem Regen zu schützen, trug sie eine durchsichtige Plastikhaube über dem Kopf, die mit einem Gummizug gehalten wurde und auf ihrer Stirn hässliche rote Striemen hinterlassen hatte.
    «Ja, ist in Arbeit», murmelte ich. Verglichen mit Frau Zappka sah ich zwar aus wie ein hochbezahltes Model, dennoch versuchte ich, mein Gesicht hinter der Zeitung zu verbergen.
    Warum tue ich mir das an? Warum dusche ich nicht, lege Make-up auf, ziehe mich ordentlich an, bevor ich die Wohnung verlasse? Verona Feldbusch, habe ich gelesen, geht nicht ungeschminkt zum Briefkasten. Und das, obschon sie es sich, im Gegensatz zu mir, wahrscheinlich leisten könnte.
    Stattdessen stehe ich im fadenscheinigen Bademantel, einen Kochlöffel in der Hand, im Flur und lasse mich von einer in Plastik gehüllten Hausmeisterin demütigen. Irgendetwas läuft grundlegend falsch in meinem Leben. So viel ist sicher.
    Ich ließ die Zappka einfach stehen und floh in meine Wohnung. Kaffee war alle. In der Zeitung stand unter ‹Vermischtes›, dass Carmen Koszlowski eine Rolle bekommen soll in einer Daily Soap. Das Leben ist so ungerecht.
    Ich rauchte sechs Zigaretten. Und bekam Magenschmerzen. Umso besser. Ich war viel zu deprimiert, um zur Arbeit zu gehen und fünfundzwanzig Schlafsofas abzulichten. Ich wollte krank sein. Mindestens drei Tage. Ich brauchte Zeit, um mein Leben zu ordnen.
    Ich wählte die Nummer meines Hausarztes. Und das Schicksal nahm seinen Lauf.
     
    Arztpraxen sehen immer gleich aus. Ich saß im Untersuchungsraum. Rechts von mir stand eine Liege mit hellgrauem Plastikbezug und diesem übergroßen Zewa-Wisch-Und-Weg-Zeug drauf. Darüber hing ein Bild, das den menschlichen Körper von innen darstellte. Die Organe waren farbenprächtig ausgemalt und beschriftet.
    Ich meine, wer würde sich so was ins Wohnzimmer hängen? Wen interessiert, wo genau die Bauchspeicheldrüse ihren Job macht? Neben dem Ultraschallgerät stand eine Skulptur. Ein Kunststoffherz, naturgetreu nachgebildet. Von blauen und roten Adern umzingelt. Äh. Ekelhaft. Ich war schlecht gelaunt. Im Bücherregal standen Werke mit Titeln wie: ‹Die dysmentionellen Funktionen der Aorta› oder ‹Der subhypertonide Patient› oder ‹Der Mastdarm, gestern und heute› oder so ähnlich.
    Warum stellen sich Ärzte immer so ’n Zeug in den Schrank? Glauben sie, damit Eindruck zu schinden? Glauben sie, wir würden glauben, dass sie das alles gelesen hätten? Oder glauben sie, dass es uns beruhigen würde, zu wissen, dass sie im Falle eines akuten Mastdarmproblems ja bloß schnell unter ‹Akutes Mastdarmproblem› nachschlagen müssen?
    Ich war übellaunig. Extrem übellaunig. Und es würde mir unter diesen Umständen nicht schwerfallen, bei meinem Hausarzt einen leidenden Eindruck zu hinterlassen.
    «Guten Tag. Ich vertrete Dr.   Bahr für die nächste Woche», sagte eine mir völlig unbekannte Stimme hinter meinem Rücken.
    Auch das noch. Eine Vertretung. Wahrscheinlichirgend so ein Veteranen-Arzt, der im Ersten Weltkrieg Unterschenkel auf Schlachtfeldern amputiert hat und jetzt von seinem Altenteil aus reaktiviert wurde. Hätte ich das gewusst. Ich wäre lieber arbeiten gegangen.
    «Was haben Sie für ein Problem?» Der Weißkittel ging an mir vorbei, ließ sich auf der anderen Seite des Schreibtisches nieder und hob sein Haupt.
    Er glotzte. Ich glotzte. Verging gerade eine Ewigkeit?
    Mein Gehirn verabschiedete sich kurzfristig, und zu meinem eigenen Entsetzen hörte ich mich flüstern: «Dani-Schatz.»
    «Nun ja, eigentlich heiße ich Hofmann. Dr.   Hofmann.»
    «Ja, natürlich. Entschuldigung. Ich heiße Hübsch. Cora Hübsch.»
    «Ja, ich weiß. Steht in den Akten.»
    «Ja, natürlich. Entschuldigung. Ich, ääh. Wie geht es Ihnen? Ich meine, geht es Ihnen wieder besser? Es tut mir so leid, was passiert ist.»
    Dr.   Daniel

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