Mondscheintarif
andauernde Missachtung und Misshandlung wieder hervorzulocken.
Andererseits: Bin dreiunddreißig Jahre alt und auf moderne Weise emanzipiert.
Das heißt: Ich weiß zwar nicht, wie man den Premiere-Decoder anschließt, kann aber einen entsprechenden Techniker bezahlen.
Das heißt: Ich habe im Selbstverteidigungskurs den Hodenquetschgriff gelernt und kann alleine nach Hause gehen.
Das heißt: Ich kann mein Filetsteak selbst erlegen, meine Höhle warm halten.
Das bringt mich direkt auf den Satz, den ich mal in einem klugen Buch gelesen habe und seither oft zitiere: «Seit mindestens hundert Jahren gibt es einfach keine Veranlassung mehr, ein Mann zu sein.»
Kann mir dann vielleicht mal jemand erklären, wie es kommt, dass ich seit zwei Stunden auf den Anruf eines Wesens warte, für dessen Existenz es überhaupt keine Veranlassung gibt?
Werde jetzt nach der eisernen Regel für solche Notfälle verfahren:
Wenn du ihn anrufen willst, dann ruf in jedem Fall vorher deine beste Freundin an. Und wenn sie wirklich deine beste Freundin ist, wird sie sagen: «Ruf ihn nicht an.» Und wenn du wirklich ihre beste Freundin bist, wirst du sagen: «Okay», und dann ein gutes Buch lesen.
In solchen Fällen stellt sich heraus, wer gute Freundinnen und was gute Bücher sind.
17 : 55
Johanna ist nicht zu Hause. Habe ihr aber auf Band gesprochen und dringend um Rückruf gebeten. Fühle mich jetzt wesentlich ruhiger und werde einfach aufhören mit dieser kindischen Warterei.
17 : 57
Weiß jetzt, warum er nicht anruft. Bin zu dick. Bin sehr unglücklich.
17 : 58
Fettverbrennung. Im Grunde ist das die einzige ehrliche Antwort, die man geben kann.
Man stelle sich vor: Du triffst dich mit diesem dicklichen Endfünfziger in einer Gaststätte, in der die Servietten so steif gebügelt sind, dass man sie auch als Frühstücksbrettchen benutzenkönnte. Der hässliche Zwerg ist Mega-Super-Manager einer irrsinnig angesagten Firma, bei der du gerne arbeiten möchtest. Er könnte dein zukünftiger Chef sein, und natürlich möchte er eine Mitarbeiterin, die nicht nur Expertin auf ihrem Gebiet ist, sondern auch anderweitige Interessen hat.
Irgendwann wird er dich unweigerlich mit diesem Nun-zeigen-Sie-mal-was-Sie-sonst-noch-draufhaben-Blick nach deinen Hobbys fragen. «Und was machen Sie in Ihrer Freizeit?»
Wenn du klug bist, wirst du sagen:
«Ich interessiere mich sehr für dekonstruktivistische amerikanische Literatur. Darüber hinaus reise ich gerne in die Kulturmetropolen Europas. Haben Sie diese ganz ungeheuer provozierende Damien-Hirst-Ausstellung in London gesehen? Nun ja, und wenn ich dann tatsächlich mal einen Abend zu Hause bin, schaue ich mir, das muss ich ehrlich gestehen, am liebsten tschechische Avantgarde-Filme auf ‹ARTE› an. Dabei kann ich richtig schön entspannen.»
Wenn du ehrlich bist, wirst du sagen: «Fettverbrennung. Mein größtes Hobby ist Fettverbrennung. Da ich nämlich weder zu den 0,8 Prozent Frauen gehöre, die essen können, was sie wollen, und dennoch auf Partys mit ihrem Untergewicht protzen, noch zu den 4,3 Prozent Skeletten, die am Tag eine halbe Kiwi verputzen und behaupten, sie seien satt. Ich esse gern. Ich esse viel. Ich liebe die Sahnesoße auf den Fettucini, Schokobons, Pringles und den Fettrand am Steak. Und deshalb kehre ich in meiner karg bemessenen Freizeit am liebsten in einem Fitnessstudio ein. Ja, ich gehöre zu den schwitzenden Idiotinnen, die eine Stunde lang auf dem Stair-Master eine imaginäre Treppe hochsteigen. Die sich in Bauch-Beine-Po-Kursen quälen. Die bei ‹I will survive› ihre Adduktoren und Abduktoren stählen. Auf dem Laufband habe ich eine Summe von Kilometern zurückgelegt, die in etwa Ihrem Jahresgehalt entspricht. Sie fragen nach meiner Freizeit? Es gibt Zeiten, in denen ich zunehme. Es gibt Zeiten, in denen ich abnehme. Ich habe keine Freizeit.»
Jo hat so einen dickbäuchigen Manager beim Einstellungsgespräch mal gefragt, wann er denn zum letzten Mal seinen Schwanz gesehen habe. Unnötig zu sagen, dass den Job eine Dame bekommen hat, die ihrem dicken Chef seither, immer wenn seine Gattin mit den Blagen im Tessin ist, den Whirlpool mit ihren vorstehenden Beckenknochen zerkratzt.
Ich weiß auch nicht. Habe in einer Zeitschrift, die den Titel ‹Ab Kleidergröße 38 verboten› tragen könnte, etwas Entsetzliches über Claudia Schiffer gelesen: Soll 56 Kilo wiegen! Dabei ist sie 12 Zentimeter größer als ich!
Dafür hat sie
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