Mondscheintarif
jenseits der Neidgrenze. Der schwarze Dienst-BMW stand ihr ausgezeichnet, ebenso wie die Dolce & Gabbana-Anzüge und dieses milkywaygroße, ständig klingelnde Handy.
Innerhalb von vier Wochen fand sie ihre bevorzugte Champagnermarke heraus, wusste, wie man Totalversagern kurz und schmerzlos die Stellung kündigt und was man einem Alpha-Männchen zu antworten hat, das glaubt, eine Frau in Führungsposition sei frigide, herrschsüchtig, trage Damenbart und wolle im Grunde genommen nur mal richtig durchgevögelt werden.
«Wissen Sie», pflegte Jo dann zu sagen, «Frauen und Männer werden erst an dem Tag wirklich gleichberechtigt sein, an dem auf einem bedeutenden Posten eine inkompetente Frau sitzt.»
Ich liebe Jo. Ich bin stolz auf sie und habe an ihr gesehen, was für ein verdammtes Schicksal es sein kann, langes, lockiges blondes Haar, Körbchengröße C, einen Arsch wie Naomi Campbell und einen Verstand wie die alte Gräfin Dönhoff zu haben.
Jo ist die tollste Frau, die ich kenne, und steckt damit exaktin demselben Dilemma wie Sharon Stone, die sagt: «Mein größtes Problem ist es, einen normalen Mann zu finden.»
Und Jo findet nicht nur keinen normalen Mann. Sie findet noch nicht mal einen passenden Therapeuten. Sogar die haben Angst vor ihr. Jo hat seit einem Jahr eine Therapeutin und lebt in erotischer Diaspora. Sie wird fast immer nur von muskulösen Volltrotteln angesprochen, die nicht bemerken, dass sie bei ihr an der falschen Adresse sind.
Jo braucht einen intelligenten, souveränen Mann.
Die sind
a) selten und
b) meistens schon mit ihrer Sekretärin verheiratet.
Es ist ein Trauerspiel. Jo und ich haben darüber eine interessante Theorie entwickelt, die meines Wissens noch in keiner Frauenzeitschrift erörtert wurde:
Männer suchen sich Frauen, die zu ihren Zielen passen. Ein ambitionierter Banklehrling wird eine Frau heiraten, die auch die Gemahlin eines Vorstandsvorsitzenden werden kann. Die teuer aussieht und gerne auch einen exquisiten Beruf haben darf, den sie dann aber für die Familie und seine Karriere aufgeben kann.
Die meisten Männer haben ein Problem damit, wenn Frauen Ziele verfolgen, die nicht zu ihren eigenen passen. Das Resultat ist, dass Frauen häufig ihre Ziele ändern. Sie verzichten auf ihren Beruf, um die Kinder großzuziehen. Sie verzichten auf ihre Beförderung, weil er für seinen Job in eine andere Stadt umziehen muss.
Frauen wechseln das Ziel. Männer wechseln die Frau. So einfach ist das.
Jo hat nie ihr Ziel aus den Augen verloren, aber so manchen Mann. Ihr letzter Freund, wir nennen ihn heute nur noch Ben den Beschränkten, ging nach Süddeutschland. Er war Lehrer und wollte sich dort zum Computerfachmann umschulen lassen. «Du siehst aus wie eine Frau. Aber in Wahrheit bist du ein Mann», hatte er ihr tief gekränkt gesagt, als sie sich weigerte,ihre Stellung aufzugeben, um mit ihm nach Oberbayern zu gehen. Er ging – sie war unglücklich.
Hatte Jo in ihrer Naivität doch geglaubt, es hätte ihm nichts ausgemacht, dass sie das Fünffache seines Gehaltes verdiente. Seien wir ehrlich. Was das angeht, leben wir immer noch in der Steinzeit. Er will die Mammuts nach Hause schleppen. Sie darf daraus einen schmackhaften Eintopf kochen. Jo will ihre Mammuts selbst erlegen. Das macht sie zum Problem.
Ich bin da übrigens ganz anders. Jo gegenüber gebe ich das nur ungern zu. Aber es gibt schon Phasen, in denen ich davon träume, Haushaltsgeld zu bekommen, das Personal rumzukommandieren und ansonsten Blumenbouquets in einer Stadtvilla zu arrangieren und meinen Gatten am Abend mit zwei Kindern auf dem Arm und einer neuen Kreation von Chanel zu begrüßen.
Das darf man natürlich nicht laut sagen. Tu ich auch nicht.
«Was ist los, Cora? Träumst du gerade davon, Arztgattin zu sein und in einer Stadtvilla Blumenbouquets zu arrangieren?»
Oh. Peinlich. Ich hatte es unvorsichtigerweise anscheinend doch mal erwähnt.
«Wie wär’s, wenn du bei mir vorbeikommst? Wir könnten uns Spaghetti kochen und ‹Wetten, dass …?› gucken. Was hältst du davon? Wie in alten Zeiten?»
Ach, da wird mir ganz wehmütig ums Herz.
Ich kenne Jo schon, seit wir beide sieben sind. Damals waren die Dagelsis in unsere Straße gezogen. Am Tag nach ihrem Einzug legte ich einen in Zeitungspapier gewickelten Kuhfladen vor die Tür ihrer Eltern, zündete das Ding an, klingelte und machte mich vom Acker. Jos Vater trampelte das Feuer aus, versaute sich die Hose mit Kuhkacke, und Jo und ich
Weitere Kostenlose Bücher