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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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erste Bewohner das Haus verließ.
    Ich trat auf die Straße, atmete tief durch und ging zu Fuß nach Hause. In einen neuen Tag und, wie mir schien, in ein neues Leben hinein.

20   :   01
    «Jo?»
    «Hallo! Wollte dich auch gerade anrufen. Was ist denn mit dir los? Du klingst lausig.»
    «Jo, ich hab’s ja sooo satt. Ich werde ihn jetzt anrufen.»
    «So schlimm?»
    «Mmmmh.»
    «Und warum rufst du mich vorher an? Soll ich dir meinen Segen geben oder versuchen, dich davon abzuhalten?»
    «Weiß nicht.»
    «Hör zu. Es gibt nur einen einzigen Grund, einen Mann in dieser Situation anzurufen.»
    «Welchen denn?»
    «Wenn du wirklich nicht anders kannst.»
    «Verstehe. Ich meld mich gleich wieder bei dir.»

20   :   03
    «Jo?»
    «Und?»
    «Er war nicht da.»
    «Hast du ihm aufs Band gesprochen?»
    «Nee, natürlich nicht. Dann wüsste er ja, dass ich angerufen habe.»
    «Cora?»
    «Mmmmh?»
    «Du hast ’nen Knall.»

22   :   05
    Habe gerade Jo verabschiedet. Um halb neun war sie einfach vorbeigekommen, hatte resolut den Fernseher ausgemacht und gesagt: «Wir werden jetzt Spaß haben, ob du willst odernicht.» Dann hatte sie Spaghetti aufgesetzt und die mitgebrachte Champagnerflasche entkorkt.
    Ach, ich liebe meine Freundin. Es gelingt ihr immer wieder, mir den Eindruck zu vermitteln, ich sei in Ordnung, so wie ich bin. Wir haben Udo Jürgens gehört.
    «Ich war noch niemals in New York, ich war noch niemals richtig frei, einmal verrückt sein und aus allen Zwängen flieh’n.»
    Wir waren in der Laune, uns an eine schicke Hotelbar zu setzen und dort elf Vertreter für Bettpfannen zu unterhalten und auf dem Tresen tanzen zu lassen. Leider muss Jo morgen früh raus. Also beschränkten wir uns darauf, Paare zu bedauern und uns zu gut für die Männer zu finden.
    «Was erwartest du?», sagte Jo. «Wenn du einem Biertrinker zehn verschiedene Sorten Champagner vorsetzt, was glaubst du, für welchen er sich entscheidet?»
    «Weiß nich.»
    «Für den, bei dem der Korken am leichtesten aufgeht.» Jo lachte sich kaputt. Ich lachte mich auch kaputt.
    «Die meisten Paare sind doch bloß deshalb zusammen, weil sie die Hoffnung aufgegeben haben, jemand Besseres zu finden. Oder sie überbrücken zu zweit die Zeit, bis einer von beiden jemand Besseres kennenlernt.»
    Ich nickte getröstet. Das tat gut. Obschon es wahrscheinlich nicht die vollkommene Wahrheit war.
    «Und die anderen, Cora, seien wir ehrlich, befinden sich in einer permanenten Beziehungskrise. Und halten das auch noch für ein Zeichen von Stabilität.»
    Es ist immer wieder interessant, die Frage zu erörtern, welche Daseinsform einem eigentlich mehr Probleme bereitet, die der gebundenen oder die der ungebundenen Frau.
    «Wenn du einen hast, dann musst du zumindest keinen mehr suchen», sage ich weise.
    «Vorausgesetzt, du hast den Richtigen. Aber selbst mit dem Richtigen wird es nach ein paar Jahren so langweilig, dass du wieder anfängst, dich umzuschauen. Dann hast du wieder dasselbeProblem, als wärest du Single, bloß dass du eben nicht mehr Single bist. Also hast du dann ein Problem mehr.»
    «Ich möchte mich aber lieber zu zweit langweilen als alleine. Außerdem ist langweilig das falsche Wort. Vertraut gefällt mir besser. Und mit jemandem vertraut zu sein ist wunderschön.»
    «Nein, sich jemanden vertraut zu machen ist wunderschön. Jemanden zu entdecken ist wunderschön, sich von jemandem entdecken zu lassen ist wunderschön.»
    «Nichts mehr zu entdecken ist auch wunderschön. Dann ist man wenigstens vor unliebsamen Überraschungen sicher. Du kennst seine kleinen Macken, du machst nicht mehr die Tür zu, wenn du dir im Bad die Zähne mit Zahnseide reinigst   …»
    «Ja, und irgendwann geht ihr zusammen aufs Klo, und du drückst ihm die Pickel auf dem Rücken aus. Und von da aus ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis du ihn ‹Vatti› nennst und ihm das Schnitzel in mundgerechte Teile schneidest. Cora, ich sage dir, Vertrauen ist gut, Selbstkontrolle ist besser. Wenn es irgendwann so weit gekommen ist, dass er dir die Fußnägel schneidet, ist das der Anfang vom Ende.»
    «Ich würde mir nie von Daniel die Fußnägel   …»
    «Okay, das war in deinem Fall vielleicht ein schlechtes Beispiel. Du würdest ja sogar bei der Pediküre vor lauter Scham einen falschen Namen angeben.»
    «Ich würde niemals zur Pediküre gehen. Ich leide ja schon beim Friseur Höllenqualen. Er begrüßt mich immer mit demselben Satz: ‹Schätzchen! Du siehst

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