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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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Fernseh-Soap-Schlampe Arm in Arm durch die laue Luft schlendert?
    Immerhin besaß ich noch die Geistesgegenwart, mir einen Zipfel meines Kleides unter die Augen zu pressen, damit die Wimperntusche nicht verläuft, als ich anfing zu heulen.
    Ich sprang auf, und während ich fünfzehn Minuten durch den Park stapfte, durchlebte ich die sechs klassischen Trennungsphasen:
    1.   Nicht-wahrhaben-wollen-Phase
    Sicherlich lässt sich alles ganz leicht aufklären. Daniel wollte sich heute Abend von der Koszlowski trennen, um mich dann morgen, ungebunden und frei von einer belastenden Vergangenheit, anzurufen und zu bitten, seine Frau zu werden.
    Es hat auch gar nichts zu bedeuten, dass er sie zu so später Stunde noch im Arm hält, obschon längst alles zwischen ihnen geklärt ist. Es ist eine Geste des Trostes, des Mitfühlens, der alten Verbundenheit. Ich kann beruhigt schlafen gehen.
    2.   Wut-zulassen-Phase
    Diese Niedertracht! Diese Aaaschgeige! Sackgesicht! Das ist so typisch, so unglaublich typisch, feige, würdelos und männlich. Mich über seine Beziehung zu Ute Koszlowski im Unklaren lassen, rumdrucksen, einmal nett vögeln – Klassenziel erreicht – und dann zurückkehren ins gemachte Bett.
    Während ich unseren ungeborenen Kindern Vornamen gebe und überlege, ob wir sie taufen lassen sollten, hat mich dieserSausack längst zu seinen Akten unter «Origineller Beischlaf mit stämmiger Brünetter» abgelegt.
    Missbraucht worden bin ich dazu, einem furztrockenen Allgemeinmediziner einen kurzfristigen Hauch von Abenteuer zu vermitteln. Hat sich auf meine Kosten lebendig gefühlt.
    Werde seinen BMwichtig mit Rasierklingen bearbeiten und ihm lächerliche Aufkleber wie ‹Bitte nicht hupen, Fahrer träumt von Schalke 04› oder ‹Ich bremse auch für Männer› mit Silikon aufs Rückfenster kleben. Werde ihm drei Monate alte Weintrauben mit einer Horde Fruchtfliegen darauf, per Kurier und hübsch verpackt, nach Hause schicken. Werde in seinem Namen eine Kontaktanzeige aufgeben mit Telefonnummer. «Sensibler, treuer Akademiker sucht passende Frau. Aussehen egal. Bitte meldet euch unter:   …»
    Ich werde mich rächen, Dr.   Daniel Arschloch Hofmann. Du wolltest eine wilde, kurze Nummer? Diese Nummer wird wilder und nicht so kurz, wie du gehofft hast. Hast du «Eine verhängnisvolle Affäre» mit Glenn Close gesehen? Gnade deinem Kaninchen, wenn du eines hättest!
    3.   Schmerz-ausleben-Phase
    Niemand liebt mich. Wie konnte ich auch nur im Traum annehmen, dass dieser gutgebaute, intelligente, schöne, geistreiche, gutverdienende Mann es ernst meinen könnte mit mir. Mir! Es ist so lächerlich. Ich bin die Frau, mit der man betrügt. Von der man in lustiger Männerrunde erzählen kann mit den Worten: «Ich hatte mal eine besonders skurrile, die   …»
    Keiner will bei mir bleiben. Ich werde immer verlassen. Sogar von Sascha. Das stimmt zwar nicht, aber in solchen Momenten spielen derlei Details keine Rolle. Es fühlt sich jedenfalls so an. Auf dem Höhepunkt meiner Geschlechtsreife, in dem Alter, wo ich gehofft hatte, meinen ersten vaginalen Orgasmus zu erleben, ist mein Liebesleben vorbei.
    Schluss. Aus. Vorbei.
    4.   Positive Neuorientierungs-Phase
    Diese Phase habe ich übersprungen und stattdessen nochmal von vorne angefangen.
     
    Ich ging nach Hause. Und versuchte, der ganzen Sache etwas Positives abzugewinnen. Ich versuchte es vergeblich. Ich trottete am Eck-Italiener vorbei, wo die Leute immer noch draußen saßen, redeten, lachten, unbeeindruckt von meinem schweren Schicksal. Das hatte etwas Tröstliches. Die Welt, dachte ich, schert sich nicht um dein Befinden. Es interessiert sie nicht, dass du den Rest deines Lebens mit dem Wissen verbringen musst, dass sich eine andere deinen Mann geschnappt hat. Ich warf mich auf mein Sofa und verachtete mich dafür, dass ich vier Mini-Dickmann’s hintereinander aß. Wenn mir der Kummer doch wenigstens auf den Magen schlagen würde. Nicht mal das. Mir vergeht nur dann der Appetit, wenn ich zu viel, und mit zu viel meine ich viel, viel zu viel, gegessen habe.

23   :   15
    Mist. Habe keine Zigaretten mehr.

23   :   16
    Werde aufhören zu rauchen. Jetzt. Muss meinem Leben einen neuen Sinn geben. Bin ab sofort Nichtraucher.

23   :   17
    Gehe nochmal schnell Zigaretten holen.

23   :   18
    Schleiche mit gesenktem Haupt auf die Straße. Bin ein Nichtsnutz. Schaffe es nicht mal, mit dem Rauchen aufzuhören. KeinWunder, dass mich keiner will. Gehe vorbei an

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