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Mondscheintarif

Mondscheintarif

Titel: Mondscheintarif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
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auf, zog mir die Lippen nach und sinnierte über die große Ungerechtigkeit, dass mich mein durchaus vorhandenes Selbstbewusstsein immer in den entscheidendsten Momenten verlässt. Deswegen sind es meist Volltrottel, die mir zu Füßen liegen. Die können mich nicht einschüchtern. Die beeindrucke ich mit Witz, Ironie und Schlagfertigkeit. Also wirklich, ich habe schon Verehrer gehabt, die mir selbst peinlich waren.
    «Na dann, stürzen wir uns also ins Getümmel», sagte Daniel, als ich zurückkam.
    In diesem Moment stürzte sich das Getümmel auf uns. Ein johlender Pulk, angeführt von einem menschlichen Kugelblitz, schwenkte auf uns zu.
    «Wie schön, dass du da bist!», rief der Kugelblitz und schloss Daniel in seine kurzen Ärmchen.
    «Michael, vielen Dank für die Einladung und herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.» Daniel griff nach meinem Arm und zog mich zu den beiden heran.
    «Darf ich dir Cora vorstellen? Michael Hinz. Cora Hübsch. Und sag jetzt bloß nicht ‹Wie hübsch›. Über den Witz lacht sie nicht mehr.»
    «Keine Sorge. Hallo Cora. Herzlich willkommen. Hübsch wäre ja auch wirklich eine beleidigende Untertreibung.»
    «Oh, danke», sagte ich. «Ich weiß ein Kompliment aus berufenem Munde zu schätzen.»
    «Ach, hat dich Daniel schon aufgeklärt? Ich weiß, ich sehe nicht aus wie ein Schönheitschirurg, eher wie einer, der dringend zum Schönheitschirurgen müsste!» Michael quietschte vor Vergnügen.
    Netter Mann. So selbstironisch. Ich bin auch selbstironisch. Na ja, ich war’s zumindest, bis mich die Anwesenheit von Dr.   Daniel Hofmann zur Dumpfbacke mutieren ließ.
    «Was ist denn mit Carmen? Kommt sie noch?», fragte Michael.
    «Vielleicht später. Sie hat noch ein Shooting.»
    So, damit war mir die Laune zum zweiten Mal gründlich verdorben. Aber ich lächelte tapfer und herzlich, als wäre von einer meiner besten Freundinnen die Rede.
    «Ach herrje, diese Filmstars», sagte Michael und zuckte die Schultern. «Mein Typ ist sie ja nicht. Viel zu dünn, kann man nix mehr von absaugen. Da gefällst du mir viiiiel besser.» Er schaute mich freundlich und begehrlich an, als würde er im Geiste schon ein Schnittmuster auf meinen Körper zeichnen. Ich glaube, er hatte es noch nicht mal böse gemeint, dennoch fragte ich mich den ganzen Abend, ob Veilchenblau dick macht und ob ich nicht doch lieber was Schwarzes hätte anziehen sollen.
    Aber es war trotzdem ein nettes Fest. Eine sturzbetrunkene Kollegin von Daniel zwang mich, mit ihr Brüderschaft zu trinken, schrie dabei «Wir Schwestern müssen zusammenhalten» und küsste mich anschließend auf den Mund.
    Clarissa war, wie mir Daniel zuraunte, vor dreiWochen von ihrem Freund verlassen worden. Angeblich, weil er fand, dass die Routine in ihrer Beziehung die Oberhand gewonnen habe. Eine Woche später hatte Clarissa ihn händchenhaltend mit einer stämmigen Brünetten im Park gesehen.
    «Das ist bitter», sagte ich bestürzt. «Wenn die Neue wenigstens dürr und blond gewesen wäre. Aber wegen einer Stämmigen verlassen zu werden – das passt ja in kein Klischee und ist somit wirklich verletzend.»
    Daniel schaute mich belustigt an und küsste mich ohne Vorwarnung.
    «Du schmeckst lecker», sagte er.
    «Nach Gauloises légères», korrigierte ich. Ich hatte gerade erst aufgeraucht. Als Raucherin wird man nicht gerne spontan von einem Nichtraucher geküsst. Immerhin hatte ich aber darauf geachtet, in den letzten Tagen keinen Knoblauch zu mir zu nehmen. Die Geschichte, die Jo mir erzählt hatte, war mir eine Warnung gewesen. Kurzfristig war sie neulich an einem Sonntagabend von einem leckeren Kollegen aus der Werbeabteilung ins Kino eingeladen worden. Am Abend vorher war sie beim Griechen gewesen und stank nach Knoblauch wie Ilja Rogoff persönlich. Durch die halbe Stadt war sie gekurvt, um eine geöffnete Apotheke zu finden. Und war sich schrecklich dämlich vorgekommen, den Notdienstler um ein wirksames Mittel gegen Mundgeruch anzuflehen.
    «Was hältst du davon, wenn wir die Party jetzt verlassen und noch einen Absacker auf meiner Dachterrasse nehmen?» Ich meinte, einen leicht anzüglichen Ton aus Daniels Worten herauszuhören, zumal er sie direkt in mein Ohr flüsterte. Ich nickte lässig. Auf der Heimfahrt knutschten wir an jeder roten Ampel und hörten R.   Kelly:
     
    «Baby, we both sittin’ here.
    We need to get somewhere private, just you an’ me.
    Throw your underwear on the wall.
    Who’s the greatest lover of them all?
    Who

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